2023

AfA-Berechtigung nach entgeltlichem Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft

Ein Gesellschafter einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft kann die AfA für seinen entgeltlich erworbenen Anteil an Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens nur entsprechend seiner Anschaffungskosten und der Restnutzungsdauer des jeweiligen Wirtschaftsguts zum Zeitpunkt des Anteilserwerbs beanspruchen. So entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 03.05.2022 (IX R 22/19). Vorhandene Verbindlichkeiten der Gesellschaft führen zu einer anteiligen Erhöhung der Anschaffungskosten, soweit sie den erworbenen abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Gesamthandsvermögens einzeln zugeordnet werden können. Im behandelten Fall waren ursprünglich zwei Brüder zu je 50% an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt. Diese erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Für den Erwerb der Grundstücke hatten sie Darlehen aufgenommen. Einer der Brüder veräußerte seine gesamten Anteile teilweise an seinen Bruder und teilweise an seine Schwägerin. Es war strittig, ob die noch offenen Darlehen der GbR, also deren Verbindlichkeiten, die Anschaffungskosten und dementsprechend die AfA auf die anteilig miterworbenen Gebäude erhöhte. Finanzamt und FG hatten dies abgelehnt. Doch der Bundesfinanzhof gestattete die Revision der GbR, der Klägerin, da das FG die den Gesellschaftern zustehende AfA fehlerhaft bestimmt hat. Grundsätzlich wird die AfA auf die vermieteten Gebäude bei der Ermittlung der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte einer Personengesellschaft nach den historischen Anschaffungskosten berücksichtigt. Die so ermittelten Einkünfte werden den Gesellschaftern entsprechend ihrer Beteiligungsverhältnisse direkt zugeordnet. Werden allerdings Beteiligungen nachträglich entgeltlich erworbenen, bemisst sich deren AfA nach den individuellen Anschaffungskosten und der voraussichtlichen Restnutzungsdauer zum Zeitpunkt des Anteilserwerbs. Weicht diese zustehende AfA von der AfA ab, die auf Gesellschaftsebene bei der Errechnung der Einkünfte ermittelt worden ist, muss der zugerechnete Ergebnisanteil korrigiert werden. Der Korrekturbetrag ist Gegenstand der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung. Der Bundesfinanzhof geht in seinem Urteil ausführlich auf die Ermittlung dieses Korrekturbetrages ein. Stellt sich in dem Zusammenhang heraus, dass die Anschaffungskosten des Anteilserwerbers die Summe der Buchwerte der anteilig miterworbenen Wirtschaftsgüter übersteigen, sind sie den anteilig miterworbenen Wirtschaftsgütern nach dem Verhältnis der in ihnen ruhenden stillen Reserven einzeln zuzuordnen. Das bedeutet, dass die Aufteilung der Mehranschaffungskosten für jedes in Betracht kommende Wirtschaftsgut zum Zeitpunkt des Anteilserwerbs einzeln zu bewerten und vorzunehmen ist. Gehört ein bebautes Grundstück zum anteilig miterworbenen Gesellschaftsvermögen, ist die Aufteilung der anteiligen Anschaffungskosten getrennt für Grund und Boden einerseits und für Gebäude andererseits erforderlich. So können eventuell im nicht abnutzbaren Wirtschaftsgut Grund und Boden entstandene stille Reserven erfasst werden. Im Streitfall war zu prüfen, inwieweit die Darlehen den einzelnen Wirtschaftsgütern auf Gesellschaftsebene eindeutig zugeordnet werden konnten. Da die Darlehen eigens für den Erwerb der Wirtschaftsgüter aufgenommen worden waren, konnte die Zuordnung unstrittig erfolgen. Im Streitfall muss das FG allerdings die Aufteilung noch nachholen.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Besteuerung eines Promotionsstudiums

Leistungen aus einem Promotionsstipendium sind steuerbar, wenn der Stipendiat eine wirtschaftliche Gegenleistung zu erbringen hat und keine Steuerbefreiungsvorschrift eingreift. So entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 16. Februar 2023 (X R 21/20). Im Streitfall promovierte die Klägerin an einer Universität im Bundesland Sachsen. Im Rahmen der Förderung akademischer Nachwuchskräfte wurde ihr während ihrer Promotionszeit aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) monatlich ein Stipendium in Höhe von 800 € gewährt. Gemäß den Vergabebedingungen beteiligte sich auch ein in Sachsen ansässiges privatwirtschaftliches Unternehmen an der Förderung. Es zahlte der Klägerin ebenfalls monatlich 800 €. Im Gegenzug wurde die Stipendiatin verpflichtet, sich ausschließlich der Promotion zu widmen und hierüber Nachweise zu erbringen. Die Ergebnisse ihres Promotionsprojekts unterlagen außerdem einer fünfjährigen Ausübungs- und Verwertungspflicht innerhalb Sachsens. Bei der Einkommensteuer besteuerte das Finanzamt das aus Mitteln des ESF gezahlte Stipendium nicht, während die vom Unternehmen bezogenen Zuwendungen als steuerbare und steuerpflichtige sonstige Einkünfte angesehen wurden. Die Stipendiatin wandte sich nach abgewiesener Klage an den Bundesfinanzhof. Dieser nahm die Klage an, da das FG nicht alle erforderlichen Feststellungen eingeholt hatte. Der Bundesfinanzhof betonte, dass die im Streitfall in Betracht zu ziehenden Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG für eine Besteuerung eine wirtschaftliche Gegenleistung seitens der Klägerin voraussetzten. Die für die Promotion aufgewandte Arbeitszeit sei in dem Sinne keine relevante Gegenleistung. Seitens des FG hätte sachlich geklärt werden müssen, ob die festgelegte Verpflichtung, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Promotion innerhalb von fünf Jahren ausschließlich im Geber-Bundesland beruflich zu verwerten, als wirtschaftliche Gegenleistung oder als bloße Erwartungshaltung einzustufen sei. Dennoch könne im behandelten Fall eine Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 44 EStG nur hinsichtlich des aus dem ESF finanzierten Teils des Stipendiums gewährt werden. Da sich das sächsische Unternehmen mit seinem gezahlten Anteil rein privatwirtschaftlich engagierte, handelte es sich nicht um öffentliche Mittel im Sinne dieser Vorschrift.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei noch zu erschließendem Grundstück

Veräußert ein privater Erschließungsträger zum Zeitpunkt des Erwerbs ein noch unerschlossenes Grundstück, für dessen Erschließung er sich verpflichtet hat, so  ist das Grundstück im erschlossenen Zustand Gegenstand des Erwerbsvorganges, auch wenn die in dem Kaufpreis enthaltenen Erschließungskosten nicht gesondert ausgewiesen wurden. Das entschied der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 23.02.2022 (II R 9/21). Im strittigen Fall erwarben die Kläger von einer Immobiliengesellschaft, die auch die Erschließungsträgerin war, ein unbebautes Grundstück. Die Kosten für die Erschließung waren im Preis enthalten, jedoch nicht gesondert ausgewiesen und auch nicht gesondert abzurechnen. Für die Fälligkeit des Kaufpreises war Voraussetzung, dass die Gemeinde die Hinterlegung einer Erfüllungsbürgschaft der Veräußerin für die Erschließungsleistungen bestätigte. Die Gemeinde verpflichtete sich im Gegenzuge, bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Leistungen durch die Veräußerin von den Eigentümern keinerlei Erschließungsbeiträge einzufordern. Bei der Ermittlung der Grunderwerbsteuer legte das Finanzamt als Bemessungsgrundlage den vertraglich vereinbarten Gesamtpreis, also inklusive Erschließungskosten, zugrunde. Sowohl Einspruch als auch Klage zur Herabsetzung der Bemessungsgrundlage um die Erschließungskosten wurden vom Finanzamt beziehungsweise FG abgewiesen. Laut Kaufvertrag hatte die Veräußerin den Erwerbern das Grundstück im erschlossenen Zustand zu übergeben. Dem stimmte der Bundesfinanzhof zu und wies die Revision der Kläger zurück. Er stellte klar, dass entscheidend für die Beurteilung, ob Erschließungskosten als Gegenleistung zu erfassen sind oder nicht, der Zustand des zu übergebenden Gegenstandes des Erwerbsvorganges ist. Es ist also bedeutend, ob das Grundstück unerschlossen oder erschlossen beziehungsweise mit der Verpflichtung des Veräußerers, es zu erschließen, zu übergeben ist. Ist ein Grundstück bei Vertragsabschluss bereits erschlossen, kann der Erwerbsgegenstand nur das erschlossene Grundstück sein. Das bedeutet, dass die im Kaufvertrag ausgewiesenen Kosten für die Erschließung unstrittig zur grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessung gehören. Aber auch bei einem Grundstück, das bei Vertragsabschluss noch nicht erschlossen ist, für dessen Erschließung sich der Veräußerer jedoch verpflichtet hat, ist das erschlossene Grundstück ebenfalls Gegenstand des Erwerbsvorgangs im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Somit ist der auf die Erschließung entfallende Teil des Kaufpreises Entgelt für den Grundstückserwerb.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags

Wie der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 17. Januar 2023 (IX R 15/20) entschied, war die Erhebung des Solidaritätszuschlags in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig. Ein Ehepaar klagte ohne Erfolg gegen den Vorauszahlungsbescheid des Finanzamts wegen der Zahlung des Solidaritätszuschlags für die Jahre 2020 und 2021. In ihrer Revision beim Bundesfinanzhof vertraten sie die Auffassung, dass die Festsetzung des Solidaritätszuschlags gegen das GG verstoße, da der Solidarpakt II 2019 ausgelaufen sei. Es handele sich seit der im Jahr 2021 in Kraft getretenen Gesetzesänderung um eine verkappte "Reichensteuer", die dem im GG verankerten Gleichheitsgrundsatz widerspreche. Der Bundesfinanzhof teilte diese Auffassung nicht. Da es keine direkte rechtliche Verknüpfung zwischen dem Ende von Solidarpakt I/II und dem SolZG 1995 gebe, sei der Solidaritätszuschlag auch in  den Jahren 2020 und 2021 eine verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe. Diese habe grundsätzlich die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der übrigen Steuern zu decken. Dafür muss sie nicht von vornherein befristet werden und sie kann auch über einen längeren Zeitraum erforderlich sein. Erst wenn sich die für die Ergänzungsabgabe maßgeblichen Verhältnisse grundsätzlich ändern oder eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist, kann eine verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe verfassungswidrig werden. Nach Begründung des Gesetzgebers hat der Solidaritätszuschlag mit dem Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs zum Jahresende 2019 seine Rechtfertigung als Ergänzungsabgabe nicht verloren. In den Streitjahren 2020 und 2021 bestand nach wie vor ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes, beispielsweise im Bereich der Rentenversicherung und des Arbeitsmarkts. Da der Gesetzgeber jedoch im Laufe der Zeit von einer Verringerung der Kosten ausging, hat er ab dem Jahr 2021 den Solidaritätszuschlag auf die Bezieher höherer Einkommen beschränkt und somit eine Reduzierung des Aufkommens veranlasst. Daraus wird deutlich, dass der Solidaritätszuschlag nicht unbegrenzt erhoben werden soll. Zudem wurde betont, dass der Solidaritätszuschlag zur Mitfinanzierung der deutschen Wiedervereinigung aus der Bewältigung einer Generationenaufgabe resultiert. Er kann daher für einen sehr langen Zeitraum anzuerkennen sein. Dieser sei beim Solidaritätszuschlag jedenfalls 26 beziehungsweise 27 Jahre nach seiner Einführung noch nicht abgelaufen. Da der ursprüngliche Zweck des Solidaritätszuschlags in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht entfallen war, komme es auf eine mögliche Umwidmung des Zuschlags für die Finanzierung der Kosten der Corona-Pandemie oder des Ukraine-Krieges nicht an, so der Bundesfinanzhof. Auch verstoße der Solidaritätszuschlag nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, wenngleich 90% der Steuerpflichtigen vom Solidaritätsbeitrag freigestellt sind. Zwar liege mit der Belastung der Bezieher höherer Einkommen ab dem Jahr 2021 eine gewisse Ungleichbehandlung vor, die aber gerechtfertigt sei. Die Einkommensteuer und  damit auch der Solidaritätszuschlag sind an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet, woraus sich die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte ableiten lässt. Daher kann der Gesetzgeber beim Solidaritätszuschlag sozialen Gesichtspunkten Rechnung tragen und diesen auf Steuerpflichtige mit hohen Einkünften beschränken. Vor diesem Hintergrund ist die ab 2021 bestehende Staffelung des Solidaritätszuschlags mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip des GG gerechtfertigt.