Kindergeld bei einem Freiwilligendienst zwischen Bachelor- und Masterstudium

von Björn Keller

Eine aus mehreren Ausbildungsabschnitten (z.B. Bachelor- und Masterstudium im gleichen Fach) bestehende einheitliche Erstausbildung liegt nur dann vor, wenn die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen und zeitlichen  Zusammenhang zueinander stehen. Das stellte der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 12. Oktober 2023 (III R 10/22) klar. Dieser enge zeitliche Zusammenhang ist nur gewahrt, wenn das Kind den nächsten Teil der mehraktigen Ausbildung zum nächstmöglichen Termin aufnimmt. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Ende eines Freiwilligendienstes im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG und dem Beginn eines weiteren Ausbildungsabschnitts genügt nicht. Die Ausbildung gilt nicht als sogleich fortgesetzt. Ein Kindergeldanspruch besteht in dem Falle nur dann, wenn das Kind bis zum Studienbeginn nicht oder nicht mehr als 20 Stunden pro Woche erwerbstätig ist. Im Streitfall ist der Kläger der Vater einer im Februar 1996 geborenen Tochter. Diese schloss am Ende des Sommersemesters 2018 ein Studium mit dem Bachelor ab. Von Oktober 2018 bis einschließlich Mai 2019 absolvierte sie einen Freiwilligendienst. Nachdem sie im Juli 2019 zum Masterstudium im gleichen Fachgebiet wie beim Bachelorstudium zugelassen wurde, nahm sie dieses im Oktober 2019 auf. In den Monaten Juli bis September 2019 (Streitzeitraum) arbeitete die Tochter als Aushilfskraftmit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden. Damit überschritt sie die für das Kindergeld unschädliche wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden. Die Familienkasse war der Auffassung, dass dem Kläger deshalb im Streitzeitraum kein Kindergeld zu gewähren ist. Da das FG der Klage dagegen statt gab, ging die Familienkasse in Revision, die der Bundesfinanzhof für begründet hielt. Er erklärte, dass die Tochter zwar grundsätzlich auch in den strittigen Monaten bis zum Beginn des Masterstudiums kindergeldrechtlich zu berücksichtigen sei, weil sie dieses Studium erst mit dem Beginn des Wintersemesters 2019/2020 aufnehmen konnte. Jedoch seien volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nach Abschluss einer Erstausbildung kindergeldrechtlich nur dann zu berücksichtigen, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nachgingen (§ 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG). Da die Tochter zwischen Bachelor- und Masterstudium einen Freiwilligendienst absolvierte, fehle der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen den Ausbildungsteilen. Das bedeute, dass die Erstausbildung mit dem vorherigen Ausbildungsabschnitt abgeschlossen wurde. Da in dem Falle der zeitliche Umfang der Erwerbstätigkeit relevant sei, dieser aber über der Grenze von 20 Wochenstunden gelegen habe, könne kein Kindergeld gewährt werden. Das FG habe zu Unrecht Bachelor- und Masterstudium als Teile einer einheitlichen Erstausbildung angesehen.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

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