2017
Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung
Berichtigt der Unternehmer eine Rechnung für eine von ihm erbrachte Leistung, wirkt dies auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsausstellung zurück. Das entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Grundsatzurteil vom 20.10.2016 entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis und unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung. Eine berichtigungsfähige Rechnung liegt dann vor, wenn sie Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Die Rechnung kann bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG berichtigt werden. Die Entscheidung ist von großer Bedeutung für Unternehmer, die trotz formaler Rechnungsmängel den Vorsteuerabzug aus bezogenen Leistungen in Anspruch nehmen. Bislang mussten sie bei späteren Beanstandungen selbst im Fall einer Rechnungsberichtigung Steuernachzahlungen für das Jahr des ursprünglich in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs leisten. Die Steuernachzahlung war zudem im Rahmen der sogenannten Vollverzinsung mit 6 % jährlich zu verzinsen. Beides entfällt nunmehr. Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin in den Streitjahren 2005 bis 2007 den Vorsteuerabzug aus Rechnungen eines Rechtsanwalts und einer Unternehmensberatung in Anspruch genommen. Ohne weitere Erläuterungen wurde in den Rechnungen auf einen nicht näher bezeichneten „Beratervertrag“, „allgemeine wirtschaftliche Beratung“ oder „zusätzliche betriebswirtschaftliche Beratung“ Bezug genommen. Das Finanzamt versagte der Klägerin den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen, da diese keine ordnungsgemäße, ausführliche Leistungsbeschreibung enthielten. Obwohl die Klägerin während des Klageverfahrens im Jahr 2013 berichtigte Rechnungen vorlegte, die die Leistungen ordnungsgemäß beschrieben, wies das FG die Klage ab. Nach seiner Auffassung ermöglichten die berichtigten Rechnungen erst einen Vorsteuerabzug in 2013 und wirkten nicht auf die erstmalige Rechnungserteilung in den Streitjahren zurück. Der Bundesfinanzhof folgte dem nicht und gestattete den Vorsteuerabzug für die Jahre 2005 bis 2007. Dabei bezog er sich maßgeblich auf ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), wonach eine Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsausstellung zurückwirkt. Außerdem missbilligte der EuGH das pauschale Entstehen von Nachzahlungszinsen. Der Bundesfinanzhof hat sich nun mit seinem Urteil dieser Rechtsprechung angeschlossen. Damit der Rechnungsberichtigung Rückwirkung zukommt, muss das Ausgangsdokument allerdings über bestimmte Mindestangaben verfügen. Das traf auf die im Streitfall ursprünglichen Rechnungen zu. Sie enthielten Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer. Auch die Rechnungsberichtigung wurde termingerecht vorgenommen, da diese bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG erfolgen kann.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz
Steuerliche Abziehbarkeit von Aufwendungen für die Erneuerung einer Einbauküche in einer vermieteten Wohnung
In seinem Urteil vom 07.12.2016 entschied der Bundesfinanzhof, dass Aufwendungen für die Kompletterneuerung einer Einbauküche in einem vermieteten Immobilienobjekt nicht sofort als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sind. Bei einer Einbauküche mit ihren einzelnen Elementen handelt es sich um ein einheitliches Wirtschaftsgut, das auf zehn Jahre im Rahmen der Absetzungen für Abnutzung (AfA) abzuschreiben ist. Damit ändert der Bundesfinanzhof die bisherige Rechtsprechung. Im Streitfall hatte der Kläger Einbauküchen in mehreren ihm gehörenden Mietobjekten entfernt und durch neue ersetzt. Diese enthielten einen Herd, eine Spüle, unter einer Arbeitsplatte verbaute Einbaumöbel sowie Elektrogeräte (Kühlschrank/Dunstabzugshaube). Die Aufwendungen beliefen sich zwischen 2.900 EUR und 3.200 EUR. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass diese als sogenannter Erhaltungsaufwand sofort abziehbar seien. Das Finanzamt ließ lediglich die Kosten für den Einbau von Herd und Spüle sowie für solche Elektrogeräte, deren Gesamtkosten die Betragsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter in Höhe von 410 € nicht überstiegen, zum sofortigen Abzug zu. Die Aufwendungen für die Einbaumöbel verteilte das Finanzamt auf die voraussichtliche Nutzungsdauer von zehn Jahren. FG und Bundesfinanzhof bestätigten diese Ansicht und wiesen die Klage als unbegründet ab. Die Neubeurteilung der Sache beruht auf einem geänderten Verständnis zum Begriff der wesentlichen Bestandteile bei Wohngebäuden. Der Bundesfinanzhof hatte bislang die Auffassung vertreten, dass die in einer Einbauküche verbaute Spüle und der Herd als Gebäudebestandteil angesehen werden können. Danach waren bisher Aufwendungen für die Erneuerung dieser Gegenstände als Erhaltungsaufwand sofort abziehbar. Demgegenüber geht der Bundesfinanzhof nunmehr davon aus, dass Spüle und Kochherd keine unselbständigen Gebäudebestandteile mehr sind. Er begründet dies mit der geänderten Ausstattungspraxis. Danach sind Einbauküchen inklusive ihrer einzelnen Elemente ein eigenständiges und einheitliches Wirtschaftsgut mit einer Nutzungsdauer von zehn Jahren. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten sind daher nur im Wege der AfA steuerlich zu berücksichtigen. Da im Streitfall Finanzamt und FG bereits einen weitergehenden Werbungskostenabzug zugelassen (Herd, Spüle, geringwertige Wirtschaftsgüter) hatten, beließ es der Bundesfinanzhof aufgrund des Verböserungsverbots bei dem Regelungsgehalt des erlassenen Steuerbescheids.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz
Kein Abzugsverbot bei der Einladung von Geschäftsfreunden zu einem Gartenfest
Betriebsausgaben die für die Einladung von Geschäftsfreunden unterliegen nur dann dem Abzugsverbot, wenn es sich um Aufwendungen handelt, die für eine überflüssige und unangemessene Repräsentation getragen werden. Das entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 13.07.2016 unter Bezug auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG. Dort werden für ein Abzugsverbot neben den ausdrücklich genannten Regelbeispielen wie Aufwendungen für Jagd oder Fischerei, für Segel- oder Motorjachten auch solche für „ähnliche Zwecke“ erfasst. Es geht dabei um Veranstaltungen, die weit über den Rahmen des Üblichen hinsichtlich Art der Unterhaltung sowie Aufwand hinausgehen. Das Abzugsverbot erfasst alle Aufwendungen, also Unterhaltung und Bewirtung der Geschäftsfreunde. Es soll Steuergerechtigkeit und sozialen Frieden verwirklichen und unangemessene Vergnügungen auf Kosten der Steuerzahler verhindern. Im Streitfall hatte eine Rechtsanwaltskanzlei in mehreren Jahren sogenannte Herrenabende im Garten des Wohngrundstücks des namensgebenden Partners veranstaltet. Auf diesen Veranstaltungen wurden jeweils bis zu 358 Gäste für Gesamtkosten zwischen 20.500 € und 22.800 € unterhalten und bewirtet. Die Aufwendungen dafür erkannte das Finanzamt nicht als Betriebsausgaben an. Diese Auffassung teilte auch das FG. Die Herrenabende hätten Eventcharakter gehabt, es war ein ausgewählter und geschlossener Teilnehmerkreis ausgewählt und durch die Einladung erfolgte für die Gäste eine Bestätigung ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung. Der Bundesfinanzhof jedoch hielt diese Begründung nicht für ausreichend. Nach dessen Urteil muss sich aus der Veranstaltung und ihrer Durchführung ergeben, dass Aufwendungen für eine überflüssige und unangemessene Unterhaltung und Repräsentation getragen werden. Die bloße Annahme eines Eventcharakters belegt noch nicht, dass die Aufwendungen unüblich sein müssen und dadurch unter das Abzugsverbot wie für „ähnliche Zwecke“ fallen. Dies kann jedoch aufgrund eines besonderen Ortes der Veranstaltung oder der Art und Weise der Unterhaltung der Gäste der Fall sein. Im Streitfall hat der Bundesfinanzhof daher das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das FG muss nun in einem zweiten Rechtsgang prüfen, ob die Art und Durchführung der Herrenabende den Schluss zulassen, dass diese sich von gewöhnlichen Gartenfesten abheben und mit der Einladung zu einer Segelregatta oder Jagdgesellschaft vergleichbar sind.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz
Keine Gewerbesteuerpflicht bei Vermietung eines Einkaufszentrums
Mit seinem Urteil vom 14.07.2016 entschied der Bundesfinanzhof, dass die Vermietung eines Einkaufszentrums nicht deshalb als Gewerbebetrieb anzusehen ist, weil der Vermieter die für den Betrieb des Einkaufszentrums übliche Infrastruktur bereitstellt sowie werbe- und verkaufsfördernder Maßnahmen für das Gesamtobjekt durchführt. Die Vermietung ist dann immer noch in den Bereich der privaten Vermögensverwaltung einzuordnen. Im entschiedenen Fall hatte eine Vermietungsgesellschaft ein Einkaufszentrum mit einer Verkaufsfläche von rund 30.000 qm an etwa 40 Einzelhandels- und Dienstleistungsunternehmen vermietet. Die Mieter wurden verpflichtet, mit zwei weiteren Gesellschaften Verträge abzuschließen. Diese besorgten den laufenden Betrieb, die Instandhaltung, die Reinigung und Bewachung des gesamten Einkaufszentrums einschließlich des Parkhauses sowie die Reinigung der Sanitär- und Sozialräume. Zudem wurden die Mieter veranlasst, eine von ihnen selbst finanzierte Werbegesellschaft zu gründen, die einen Centermanager zur Durchführung von Werbemaßnahmen für das Einkaufszentrum bezahlte. Finanzamt und FG werteten die Vermietung des Einkaufszentrums wegen der Vielzahl dieser Dienstleistungen als Gewerbebetrieb. Dieser Auffassung folgte der Bundesfinanzhof nicht. Mit seinem Urteil stellte er klar, dass der Bereich der privaten Vermögensverwaltung noch nicht verlassen wird, wenn bei der Vermietung eines Einkaufszentrums den Mietern begleitende Dienstleistungen durch den Vermieter selbst oder auf dessen Veranlassung hin durch Dritte erbracht werden. Maßgebend ist, dass die Dienstleistungen die für die Vermietung eines Einkaufszentrums notwendige Infrastruktur betreffen. So sind Leistungen wie Reinigung, Bewachung sowie Bereitstellung von Sanitär- und Sozialräumen allgemein übliche Leistungen bei der Vermietung eines Einkaufszentrums. Diese Leistungen sind keine Zusatzleistungen, sondern untrennbarer Bestandteil der Hauptleistung, der Vermietung. Werbe- und verkaufsfördernde Maßnahmen stellen zwar Sonderleistungen dar. Da die Vermietungsgesellschaft damit jedoch das gesamte Einkaufszentrum bewirbt, dient diese Werbung überwiegend dem Vermieterinteresse. Es soll damit die Attraktivität des Standorts für die Kunden und für bestehende und zukünftige Mieter erhöht werden. Die Vermietungsleistung gibt dem gesamten Leistungsaustausch das Gepräge. Es handelt es sich nach wie vor um eine private Vermögensverwaltung und ist insoweit keine gewerbliche Leistung.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz
Keine steuerliche Berücksichtigung des Selbstbehalts bei einer privaten Krankenversicherung
Der von einem Steuerpflichtigen vereinbarte und getragene Selbstbehalt ist kein Beitrag zu einer Krankenversicherung. Er kann daher nicht als Sonderausgabe gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG abgezogen werden. Eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ist nur möglich, wenn er die zumutbare Belastung gemäß § 33 Abs. 3 EStG übersteigt. Ein darüber hinausgehender Abzug des Selbstbehalts ist verfassungsmäßig nicht rechtens. Das entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 01.06.2016. Im strittigen Fall hatte der Kläger für sich und seine Töchter einen Krankenversicherungsschutz vereinbart, für den er aufgrund entsprechender Selbstbehalte geringere Versicherungsbeiträge zu zahlen hatte. Die von ihm im Streitjahr 2010 getragenen Selbstbehalte in Höhe von 3.690 EUR machte der Kläger bei seiner Einkommensteuererklärung geltend. Weder das Finanzamt noch das FG ließen indes einen Abzug der Kosten zu. Der Bundesfinanzhof teilte die Auffassung der Vorinstanzen und lehnte die steuerliche Berücksichtigung der im Rahmen des Selbstbehalts getragenen Krankheitskosten des Klägers ebenfalls ab. Er stellte klar, dass die Selbstbeteiligung keine Gegenleistung für die Erlangung des Versicherungsschutzes darstellt. Daher ist sie nicht als Krankenversicherungsbeitrag zu werten und demzufolge auch nicht als Sonderausgabe abziehbar. Die selbst getragenen Krankheitskosten sind zwar außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG. Diese Aufwendungen können aber nur berücksichtigt werden, wenn sie die zumutbare Eigenbelastung nicht überschreiten. Aufgrund der Einkünfte des Klägers in Höhe von 190.796 EUR traf das im Streitfall jedoch nicht zu, sodass ein Abzug nicht in Betracht kam. Auch eine steuerliche Berücksichtigung des Selbstbehalts durch Beachtung des Grundsatzes der Steuerfreiheit des Existenzminimums lehnte der Bundesfinanzhof ab. Dem Steuerpflichtigen soll mit diesem Grundsatz kein Schutz des Lebensstandards auf Sozialversicherungs-, sondern lediglich auf Sozialhilfeniveau gewährleistet werden. Die Aufwendungen für Krankheitskosten im Rahmen von Selbstbehalten sind jedoch nicht Teil des sozialhilferechtlich gewährleisteten Leistungsniveaus.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz