2017

Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten sind ungeachtet der Anrechenbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe umsatzsteuerpflichtig

Mit seinem Beschluss vom 27.06.2017 gibt der Bundesfinanzhof Antwort auf die Beschwerde einer Klägerin. Sie beantragte eine Prüfung der geltenden Rechtsprechung dahingehend, ob die betragsgenaue Anrechenbarkeit der Umsatzsteuer bei der Erhebung der Spielbankenabgabe gegen den Neutralitätsgrundsatz, das Diskriminierungsverbot oder das Transparenzgebot verstößt. Des Weiteren sollte geklärt werden, ob sich hieraus das Gebot einer Umsatzsteuerfreistellung bei gleichzeitigem Erhalt des Rechts auf Vorsteuerabzug ergibt. Der Bundesfinanzhof nahm bezüglich der Beschwerde der Klägerin eindeutig Stellung. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind demzufolge durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesfinanzhofs bereits umfassend geklärt. Demnach sind Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten ungeachtet der Anrechenbarkeit der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe umsatzsteuerpflichtig. Eine Zulassung der Revision kam daher nicht in Betracht.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Wegfall der Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung bei beiderseitigem Motivirrtum

Der Bundesfinanzhof entschied mit seinem Urteil vom 11.04.2017, dass die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung im Steuerfestsetzungsverfahren ausnahmsweise entfallen kann. Das trifft dann zu, wenn ihr eine irrtümlich von beiden Parteien angenommene Geschäftsgrundlage von vornherein gefehlt hat oder wenn sie nachträglich weggefallen ist und einem der Beteiligten ein Festhalten an dem Vereinbarten nicht zuzumuten ist. Im Streitfall machten die Kläger, ein Ehepaar, aus der insolvenzbedingten Auflösung einer GmbH für das Streitjahr 2007 einen Verlust von insgesamt 1.001.177,02 EUR geltend. Das Finanzamt anerkannte jedoch ausschließlich den Verlust des eingezahlten Stammkapitals unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens schlossen die Kläger auf Vorschlag des FG mit dem Finanzamt eine sogenannte tatsächliche Verständigung. Danach sollte von einem bereits im Jahr 2005 entstandenen Verlust ausgegangen werden. Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 betrachteten alle Beteiligten als erledigt. Bei der Umsetzung der Vereinbarung stellte das Finanzamt allerdings fest, dass die Einkommensteuerfestsetzung 2005 wegen einer von dem vormaligen Berater der Kläger erklärten Einspruchsrücknahme nicht mehr änderbar war. Die Kläger machten daher geltend, die tatsächliche Verständigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufzuheben und den Auflösungsverlust im anhängigen Streitjahr 2007 anzusetzen. Das FG bestand auf der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung und wies die Klage ab. Der Bundesfinanzhof allerdings teilte diese Auffassung nicht. Im Streitfall seien die Beteiligten übereinstimmend von der verfahrensrechtlichen Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheids 2005 ausgegangen. Da aber diese angenommene gemeinsame Geschäftsgrundlage von Anfang an gefehlt habe, komme der tatsächlichen Verständigung keine Bindungswirkung zu. Dabei sei auch unwichtig, ob der Motivirrtum durch ein Verschulden der Kläger vorliege. Das FG muss nun im zweiten Rechtsgang ohne Bindung an die Verständigung prüfen, ob der Auflösungsverlust, wie von den Klägern beantragt, im Streitjahr 2007 zu berücksichtigen ist.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Scheidungskosten nicht mehr als außergewöhnliche Belastung abziehbar

Mit seinem Urteil vom 18.05.2017 entschied der Bundesfinanzhof, dass die Kosten eines Scheidungsverfahrens unter das Abzugsverbot für Prozesskosten fallen. Seit der Änderung des § 33 EStG im Jahr 2013 sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) grundsätzlich vom Abzug als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Das Abzugsverbot greift nur dann nicht, wenn der Steuerpflichtige durch die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Auf diese Ausnahmeregelung berief sich die Klägerin im Streitfall. Sie machte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2014 Aufwendungen für ein Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastung geltend. Anders als das FG sah der Bundesfinanzhof die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG in dem Fall nicht als gegeben an. Mit der Änderung der Vorschrift  im Jahr 2013 habe der Gesetzgeber die Steuererheblichkeit von Prozesskosten auf einen engen Rahmen zurückführen und Scheidungskosten vom Abzug als außergewöhnliche Belastung bewusst ausschließen wollen. Ein Ehegatte wende die Kosten für ein Scheidungsverfahren nicht zur Sicherung seiner Existenzgrundlage und seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse auf. Selbst wenn das Festhalten an der Ehe für den Steuerpflichtigen eine starke Beeinträchtigung seines Lebens darstelle, bedeute das in der Regel keine Bedrohung seiner wirtschaftlichen Lebensgrundlage.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Fahrschulunterricht als steuerfreier Schulunterricht?

Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 16.03.2017 dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorgelegt, ob der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts den Fahrschulunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1 mit umfasst. In dem Zusammenhang ist zu klären, ob der Begriff des Privatlehrers in Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL voraussetzt, dass es sich bei dem Unterrichtenden um einen Einzelunternehmer handelt. Oder wird ein Unterrichtender immer dann bereits als Privatlehrer tätig, wenn er für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung arbeitet? Im Streitjahr 2010 erteilte die Klägerin, eine GmbH, Fahrunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B (Pkw-Führerschein) und C1 (ähnlich Fahrerlaubnis B, jedoch Fahrzeuge mit einer Gesamtmasse von nicht mehr als 7500 kg). In ihren Rechnungen wies sie keine gesonderte Umsatzsteuer aus. Sie begründete dies damit, begünstigte Unterrichtleistungen eines Privatlehrers im Sinne Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL zu erbringen, die zudem dem Gemeinwohl dienten. Für Finanzamt und FG jedoch kam eine Umsatzsteuerbefreiung nicht in Betracht, weil nach nationalem Recht Unterrichtsleistungen zur Erlangung dieser Fahrerlaubnisse steuerpflichtig sind. Fahrschulen gelten nicht als allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen, wie es von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG vorausgesetzt wird. Im Streitfall fehlte es zudem an der dort genannten berufs- oder prüfungsvorbereitenden Bescheinigung. Der Bundesfinanzhof allerdings zweifelt an der Umsatzsteuerpflicht für die Erteilung von Fahrunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1. Er bejaht den Unterrichtscharakter der Fahrschulleistung. Er verweist darauf, dass im Bereich der Umsatzsteuer der nationale Gesetzgeber die Bindungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) zu beachten hat. Setzt das nationale Recht eine Steuerfreiheit der Richtlinie nur ungenügend um, besteht für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit, sich auf die Richtlinie zu berufen. Im Streitfall wäre demzufolge nach der EU-Richtlinie der Unterricht von der Steuer zu befreien. Mit dem Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs soll deshalb zweifelsfrei geklärt werden, ob der Fahrschulunterricht zum Erwerb dieser Fahrerlaubnisklassen aus Gründen des Unionsrechts steuerfrei ist. Die zusätzlich erforderliche Anerkennung könne sich daraus ergeben, dass der Unterrichtende die Fahrlehrerprüfung nach § 4 des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen abgelegt haben muss. In Betracht komme auch eine Steuerfreiheit als Privatlehrer. Die nunmehr vom EuGH zu treffende Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung für die Umsatzbesteuerung der über 10000 Fahrschulen in der Bundesrepublik Deutschland.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Zeitliche Grenze für die Erklärung des Verzichts auf die Steuerbefreiung und die Rücknahme des Verzichts

Mit seinem Schreiben vom 02.08.2017 nimmt das Bundesministerium der Finanzen Bezug auf mehrere Urteile des Bundesfinanzhofs (vom 19.12.2013 - V R 6/12 und V R 7/12 - sowie vom 21.10.2015 - XI R 40/13 -). Darin hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Rücknahme des Verzichts auf Steuerbefreiung nach § 9 UStG möglich ist, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung anfechtbar oder auf Grund eines Vorbehalts der Nachprüfung noch änderbar ist. Der Verzicht und sein Rückgängigmachen als actus contrarius sind aufgrund der zeitlichen Grenzen ihres Ausübens gleich zu behandeln. Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks (außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens) kann nur in dem dieser Grundstückslieferung zu Grunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden kann. Ein späterer Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung ist unwirksam, auch wenn er notariell beurkundet wird. Wegen dieser zeitlich bindenden Beschränkung der Optionsausübung auf den ursprünglich notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag bleibt auch die Rücknahme des Verzichts auf diesen Zeitpunkt begrenzt. Das Bundesministerium der Finanzen hat dazu den geltenden Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) allgemeingültig geändert. Zudem ersetzt dieses Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen das Schreiben vom 01.10.2010. Es ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Den vorgenannten Urteilen des Bundesfinanzhofs entgegenstehende Verwaltungsanweisungen aus dem Jahre 2004 sind nicht mehr anzuwenden. Beruft sich ein Unternehmer allerdings auf diese, weil sie für ihn günstiger sind, wird die Wirksamkeit der Option in Fällen von notariellen Vertragsergänzungen oder -änderungen für Erklärungen nach dem 31.03.2004 bis zum 31.10.2010 nicht beanstandet. Für Zeiträume ab dem 01.11.2010 kommt auf Grund des Schreibens vom 01.10.2010 ein Vertrauensschutz in Fällen von notariellen Vertragsergänzungen oder -änderungen noch bis zur formellen Bestandskraft der betreffenden Jahressteuerfestsetzung in Betracht. Voraussetzung ist, dass die Erklärungen vor dem 01.01.2018 abgegeben wurden.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz