2025

Kein Arbeitslohn bei schenkweiser Übertragung von Gesellschaftsanteilen zur Sicherung der Unternehmensnachfolge

von Björn Keller

Wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 20. November 2024 (VI R 21/22) entschied, führt das Verschenken von Geschäftsanteilen an leitende Mitarbeiter zwecks Sicherung der Unternehmensnachfolge nicht ohne Weiteres zu steuerpflichtigem Arbeitslohn bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Wird eine Mitarbeiterbeteiligung nicht zum Marktpreis übertragen, liegt der Vorteil in der gegenüber dem marktüblichen Preis bestehenden Verbilligung. Arbeitslohn setzt aber voraus, dass der Vorteil dem Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung gewährt wird. Im Streitfall war die Klägerin seit vielen Jahren in der Führungsebene eines kleineren Unternehmens tätig. Der Sohn der Gründungsgesellschafter konnte die Unternehmensnachfolge aus persönlichen Gründen nicht antreten. Daher beschlossen diese, nach ihrem Ausscheiden die Fortführung und Leitung des Unternehmens der Klägerin sowie vier weiteren Mitgliedern der Führungsebene zu übergeben. Sie übertrugen jeweils 5,08 % (Nennwert 1.300 €) der Geschäftsanteile schenkweise an die Klägerin und die anderen vier Arbeitnehmer. Nach einer vom Finanzamt veranlassten Lohnsteuer-Außenprüfung wertete diese den in der schenkweisen Übertragung liegenden geldwerten Vorteil als Arbeitslohn und besteuerte ihn entsprechend. Das FG hingegen betrachtete den Vorteil aus der Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht als Ertrag aus nichtselbständiger Tätigkeit der Klägerin. Der Bundesfinanzhof teilte dies Auffassung. Er stellte klar: auch wenn die Anteilsübertragung mit dem Arbeitsverhältnis der Klägerin zusammenhänge, sei sie durch dieses nicht maßgeblich veranlasst. Das entscheidende Motiv für die Übertragung sei für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge gewesen. Der in der schenkweisen Übertragung aus gesellschaftsrechtlichen Gründen liegende Vorteil stelle in dieser Situation keine Entlohnung der leitenden Mitarbeiter für in der Vergangenheit erbrachte oder in Zukunft zu erbringende Dienste dar. Als maßgebliche Indizien gegen Arbeitslohn sah der Bundesfinanzhof auch an, dass die Anteilsübertragung im Streitfall nicht an den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse geknüpft war. Zudem fiel der vom Finanzamt angenommene Vorteil im Vergleich zu den Bruttoarbeitslöhnen der Beschenkten deutlich aus dem Rahmen. Es sei auch überhaupt nicht nachvollziehbar, weshalb die Unternehmensgründer ihre leitenden Angestellten trotz sehr unterschiedlicher Beschäftigungsdauer und unterschiedlicher Gehälter mit den Beteiligungen einheitlich entlohnen sollten.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Erstattung der Steuer für einen Verdienstausfallschaden ist einkommensteuerpflichtig

von Björn Keller

Wie der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 15. Oktober 2024 (IX R 5/23) entschied, muss die Einkommensteuer, die für den Ersatz eines Verdienstausfallschadens zu zahlen und dann vom Schädiger zu ersetzen ist, vom Geschädigten versteuert werden. Die auf den Verdienstausfallschaden entfallende Einkommensteuer gehört zu den steuerbaren Einkünften gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Wird die vom Schädiger zu erstattende Steuerlast auf den Verdienstausfallschaden erst zu einem späteren Veranlagungszeitraum gezahlt, liegt dennoch keine für eine tarifermäßigte Besteuerung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG erforderliche Zusammenballung von Einkünften vor. Der Ersatz eines Verdienstausfallschadens stellt keine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar. Im Streitfall wurde die Klägerin aufgrund eines schweren medizinischen Behandlungsfehlers erwerbsunfähig. Sie erhielt von der Versicherung des Schädigers jährlich ihren Verdienstausfallschaden ersetzt. Die Zahlungen musste sie als Entschädigung für entgehenden Arbeitslohn gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG versteuern. Zwischen der Versicherung und der Geschädigten war vereinbart, dass der Schaden "nach der modifizierten Nettolohntheorie abgerechnet" wird. Dadurch wurden die tatsächlich angefallenen Steuern nachträglich erstattet. In den Streitjahren 2018 und 2019 kam die Versicherung dieser gesetzlichen Pflicht nach und erstattete die von der Klägerin in den Vorjahren bereits geleisteten Einkommensteuerzahlungen für die erhaltenen Entschädigungsleistungen. Das Finanzamt und das FG behandelten diese Erstattungen als Einkünfte, die demgemäß selbst der Einkommensteuer unterliegen. Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass es sich um einen Steuerschaden handele, da es sich beim Ersatz der Steuer nicht um den Ersatz von Einnahmen, sondern um den Ersatz von Ausgaben handele. Der Bundesfinanzhof wies jedoch die Revision der Klägerin zurück. Er stellte klar, dass zu den steuerpflichtigen Entschädigungen nicht nur der zunächst gezahlte Ausfall des Nettoverdienstes, sondern auch die später erstattete Steuerlast zählen. Sowohl der Nettoverdienstausfall als auch die Steuerlast sind Bestandteile eines einheitlichen Schadenersatzanspruchs. Dies gilt unabhängig davon, ob beide Teile gleichzeitig oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgezahlt werden. Beides diene dem Ersatz entgehender Einnahmen des Geschädigten. Zudem schloss der Bundesfinanzhof eine tarifermäßigte Besteuerung der Steuererstattungen aus. Da sich die Zahlung der Schadenersatzleistungen über mehrere Jahre verteilte sei eine dafür notwendige Außerordentlichkeit gemäß § 34 EstG nicht gegeben.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Erbschaftsteuer-Freibetrag für das Kind eines zivilrechtlich als verstorben geltenden Elternteils

von Björn Keller

Der zivilrechtlich wirksame Verzicht eines Kindes gegenüber einem Elternteil auf den gesetzlichen Erbteil bewirkt nicht, dass dessen Kind, also dem Enkelkind des Erblassers, der Freibetrag zu gewähren ist, der im Falle des Versterbens des Kindes zu gewähren wäre. Die Fallgruppen "Kinder tatsächlich verstorbener Kinder" und "Kinder von als fiktiv verstorben geltenden Kindern" werden nicht gleichgesetzt. Das Erbschaftsteuerrecht folgt insoweit nicht der Fiktion des Zivilrechts. Der Enkel des Erblassers erhält in diesem Fall nicht den Freibetrag in Höhe von 400.000 €, sondern nur einen Freibetrag in Höhe von 200.000 €. Der Verzicht auf den gesetzlichen Erbteil eines Abkömmlings kann somit nicht als Steuersparmodell für die Enkel des Erblassers genutzt werden. So entschied der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 31. Juli 2024 (II R 13/22). Im Streitfall hatte der Vater des Klägers gegenüber seinem eigenen Vater vertraglich auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet. Zivilrechtlich galt der Vater daher als verstorben. Somit hatte er auch keinen Anspruch auf einen Pflichtteil nach § 2346 Abs. 1 BGB. Als der Erblasser (Großvater des Klägers) verstarb, wurde der Kläger gesetzlicher Erbe. Er beantragte beim Finanzamt, ihm für die Erbschaft einen Freibetrag in Höhe von 400.000 € zu gewähren. Das Finanzamt gestattete dem Kläger aber nur einen Freibetrag in Höhe von 200.000 €. Dieser Freibetrag steht ihm als Enkel zu, da sein eigener Vater zwar auf seinen gesetzlichen Erbteil verzichtet hatte, aber beim Versterben des Großvaters noch am Leben war (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Die Klage vor dem FG sowie die Revision beim Bundesfinanzhof hatten keinen Erfolg. Mit Verweis auf den Wortlaut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 2 ErbStG, der unter den dort genannten Umständen den höheren Freibetrag von 400.000 € gewährt, stellt der Bundesfinanzhof den Sachverhalt klar. Demnach werden als Empfänger des höheren Freibetrags die Kinder verstorbener Kinder benannt. Lediglich zivilrechtlich als verstorben geltende Kinder werden nicht aufgeführt. Die erbschaftsteuerrechtlichen Freibetragsregelungen sollen die Abkömmlinge der ersten Generation (Kinder) begünstigen. Bei den Enkeln sieht der Gesetzgeber die familiäre Verbundenheit nicht als so eng, daher die Festlegung eines geringeren Freibetrages von 200.000 €. Nur für den Fall, wenn die eigene Elterngeneration vorverstorben ist, sieht der Gesetzgeber die Großeltern für das Auskommen der verwaisten Enkel in der Pflicht und gewährt diesen den höheren Freibetrag von 400.000 €. Die Ausdehnung des höheren Freibetrags auf Kinder, deren Eltern nur vom Gesetz als verstorben angesehen werden, die aber tatsächlich bei Tod des Großelternteils noch leben, ist vom Gesetzgeber nicht gewollt. Er geht davon aus, wenn der Abkömmling des Erblassers noch lebt, er weiterhin für die finanzielle Ausstattung seines Kindes sorgen kann. Außerdem kann in diesem Fall das Enkelkind beim Tod seines Elternteils testamentarisch erben und dann seinen eigenen Freibetrag als Kind in Höhe von 400.000 € (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 1 ErbStG) in Anspruch nehmen. Würde gleichzeitig dem Enkel eines zivilrechtlich als verstorben geltenden Elternteils auch der höhere Freibetrag bei Ableben eines Großelternteils gewährt, wäre das eine legale Steuerumgehungsmöglichkeit in Gestalt einer Doppelbegünstigung. Diese ist vom Gesetzgeber keineswegs gewollt und insofern ist die Regelung auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Steuerermäßigung für die Erneuerung einer Heizungsanlage

von Björn Keller

Wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 13. August 2024 (IX R 31/23) entschied, dürfen Steuerermäßigungen für energetische Maßnahmen, wie beispielsweise der Einbau einer modernen Heizungsanlage, erst nach der Montage sowie der vollständigen Begleichung des Rechnungsbetrages auf das Konto des Installationsunternehmens vorgenommen werden. Nur die Fertigstellung der Maßnahme genügt nicht. Im Streitfall hatte ein Ehepaar, die Kläger, in dem von ihnen bewohnten Einfamilienhaus im Jahr 2021 die Heizung durch den Einbau eines neuen Gasbrennwertheizkessels modernisiert. Die Kosten für die Lieferung und die Montage des Kessels betrugen über 8.000 €. In der Rechnung waren auch Kosten für Monteurstunden und Fachhelferstunden enthalten. Ab März 2021 zahlten die Kläger gleichbleibende Monatsraten in Höhe von jeweils 200 € auf den Rechnungsbetrag. In der Einkommensteuer für das Jahr 2021 beantragten die Kläger infolgedessen für die gezahlten 2.000 € eine Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen. Das Finanzamt lehnte dies bei der Festsetzung ab, da dafür erst die letzte Rate beglichen sein müsse, also im Jahr 2024. FG und Bundesfinanzhof teilen diese Auffassung. Der Bundesfinanzhof stellt in seinem Urteil klar, dass die Steuerermäßigung für energetische Maßnahmen gemäß § 35c EStG erst in Anspruch genommen werden kann, wenn der in der Rechnung über die förderungsfähige Maßnahme ausgewiesene Betrag vollständig auf dem Konto des Leistungserbringers eingegangen ist. Außerdem ist für die gemäß § 35c Abs. 4 Nr. 1 EStG Inanspruchnahme der Steuerermäßigung Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige eine Rechnung in deutscher Sprache mit bestimmten inhaltlichen Angaben erhalten hat. Zusätzlich verlangt § 35c Abs. 4 Nr. 2 EStG ausdrücklich, dass die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist. Bevor die vollständige Begleichung der Rechnung nicht stattgefunden hat, liegt der von § 35c Abs. 1 EStG geforderte Abschluss der Maßnahme nicht vor. Daraus folgt im Streitfall, dass auch die im Jahr 2021 geleisteten Teilzahlungen nicht zu berücksichtigen sind. Der Bundesfinanzhof weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass im behandelten Fall im Streitjahr 2021 eine Steuerermäßigung gemäß § 35a Abs. 3 EStG für Handwerkerleistungen möglich ist. Allerdings werden nur die Arbeitskosten und nicht auch die Materialkosten begünstigt. Werden die Steuerermäßigungen für Handwerkerleistungen in Anspruch genommen, ist eine zusätzliche Förderung auf der Grundlage des § 35c EStG ausgeschlossen. Das FG muss daher diesbezüglich den Antrag der Kläger nochmals prüfen.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Bundesfinanzhof hält Aussetzungszinsen von monatlich 0,5 % für verfassungswidrig

von Björn Keller

Der Bundesfinanzhof hat mit seinem Beschluss vom 08. Mai 2024 (VIII R 9/23) das Bundesverfassungsgericht angerufen, da er den gesetzlichen Zinssatz von monatlich 0,5 % beziehungsweise 6 % pro Jahr für Aussetzungszinsen für verfassungswidrig hält. Grundsätzlich haben Einspruch und Klage im Steuerrecht keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass die Erhebung einer Abgabe dadurch nicht aufgehalten wird und der Steuerpflichtige somit die festgesetzte Steuer zunächst zahlen muss. Allerdings kann in einem summarischen Verfahren auf Antrag bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids vom Finanzamt oder dem FG die Aussetzung der Vollziehung angeordnet werden. In dem Fall muss der Steuerpflichtige die Steuer zunächst nicht zahlen. Bleiben jedoch seine Rechtsmittel ohne Erfolg, muss er die Steuer nachträglich zahlen; zugleich fallen in der Regel Zinsen an. Diese betragen dann für die Dauer der Aussetzung der Vollziehung und in Höhe des ausgesetzten Steuerbetrags 0,5 % pro Monat, also 6 % pro Jahr. Der Bundesfinanzhof hält die Vollverzinsung in dieser Höhe für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, wonach alle Menschen nach dem Gesetz gleich sind. Im zugrunde liegenden Streitfall hatte der Kläger seinen Einkommensteuerbescheid für 2012 angefochten. Das Finanzamt setzte dessen Vollziehung aus. Da die Klage erfolglos blieb, wurden neben dem fälligen Steuerbetrag zusätzlich Aussetzungszinsen von 0,5 % für insgesamt 78 Monate festgesetzt. Der Kläger wandte sich gegen die Zinsfestsetzung. Der Bundesfinanzhof teilte die Auffassung des Klägers. Da die Zinsfestlegung eine Phase anhaltend struktureller Niedrigzinsen beinhalte, sei der gesetzliche Zinssatz von monatlich 0,5 % der Höhe nach evident nicht mehr erforderlich, um den durch eine spätere Zahlung erzielbaren Liquiditätsvorteil abzuschöpfen. Ein solcher Zinssatz sei bei Aussetzung der Vollziehung nach seiner Ansicht mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Besonders strittig sei der Zeitraum vom 01. Januar 2019 bis zum 15. April 2021. Der Bundesfinanzhof erörterte, dass Steuerpflichtige, die Nachzahlungszinsen entrichten müssen, im Vergleich zu vorgenannten Steuerpflichtigen bevorteilt würden. Begründet ist dies dadurch, weil bei Nachzahlungen die Steuerfestsetzung zu einem Unterschiedsbetrag nach § 233a Abs. 3 AO geführt hat und die Steuerpflichtigen daher ihre von Anfang an geschuldete Steuer erst später zahlen müssen. Die dafür erhobenen Nachzahlungszinsen werden seit dem 01. Januar 2019 lediglich mit einem Zinssatz von 0,15 % für jeden Monat, mit demzufolge nur 1,8 % jährlich berechnet. Dieser erheblich niedrigere Zinssatz gegenüber Aussetzungszinsen führt daher zu einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen. Die Verfassungsmäßigkeit der Zinssatzspreizung sei daher anzuzweifeln. Das Verfahren wurde deshalb ausgesetzt. Bleibt abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht der Auffassung des Bundesfinanzhofs folgt.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz