Aussetzung der Vollziehung von Nachzahlungszinsen
von Björn Keller
Da der Bundesfinanzhof an der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem 01.04.2015 zweifelte, gewährte er mit Beschluss vom 25.04.2018 (IX B 21/18) nach summarischer Prüfung im zugrunde liegenden Fall die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Nach seiner Auffassung überschreite der gesetzlich festgelegte Zinssatz gemäß § 238 Absatz 1 Satz 1 AO angesichts des bereits zu dieser Zeit eingetretenen niedrigen Marktzinsniveaus den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität. Analog entschied der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 03.09.2018 (VIII B 15/18). Demzufolge müsse sich die AdV auch für vorangehende streitige Verzinsungszeiträume ab November 2012 erstrecken, da die Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes für Verzinsungszeiträume nach 2009 bereits Gegenstand zweier Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sei. Zu diesen beiden Urteilen nahm das Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben vom 14.12.2018 Stellung. Demnach sind die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 25.04.2018 und vom 03.09.2018 für Verzinsungszeiträume ab dem 01.04.2012 anzuwenden, jedoch nur auf Antrag des Zinsschuldners. Dies gilt demzufolge für alle Fälle, in denen gegen eine vollziehbare Zinsfestsetzung nach § 238 Absatz 1 Satz 1 AO Einspruch eingelegt wurde. Steuerart und Besteuerungszeitraum sind dabei unerheblich. Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes kann ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen, wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge hätte und wenn im Einzelfall ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers vorliegt. Dabei ist stets gegen die öffentlichen Belange abzuwägen. Hierbei sind vor allem die Auswirkungen einer AdV hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung zu bedenken. Für Verzinsungszeiträume vor dem 01.04.2012 stellt das Bundesministerium der Finanzen klar, dass bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dem bestehenden Geltungsanspruch der formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Zinsvorschriften der Vorrang einzuräumen ist. Die AdV ist nur in besonderen Härtefällen zu gewähren. Anderenfalls würde dies im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung der geltenden Zinsvorschriften führen. Zudem sei angesichts der bisherigen Nichtannahmebeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zur Verzinsungsregelung ungewiss, ob dieses den Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat bei einer neuerlichen Prüfung unter Berücksichtigung der weiteren Marktzinsentwicklung als verfassungswidrig einstufen wird. In dem Zusammenhang betont das Bundesministerium der Finanzen ausdrücklich, dass die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder die Verfassungsmäßigkeit des § 238 Absatz 1 Satz 1 AO nicht anzweifeln. Die Regelungen dieses Schreiben treten mit sofortiger Wirkung an die Stelle des BMF-Schreibens vom 14.06.2018.
Siehe auch: News vom 22.07.2018
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz