Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste laut Bundesfinanzhof wahrscheinlich verfassungswidrig

von Björn Keller

Der Bundesfinanzhof hält die nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (jetzt § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG) festgelegte Verrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste für nicht verfassungskonform. Entsprechend vorgenanntem Gesetz dürfen Aktienveräußerungsverluste nicht mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden, sondern nur mit Gewinnen aus Aktienveräußerungen. Durch die Zuordnung von Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanlagen (unter anderem Aktien) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG) unterliegen die dabei realisierten Wertveränderungen (Gewinne und Verluste) in vollem Umfang und unabhängig von einer Haltefrist der Besteuerung. Da Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich abgeltend mit 25% besteuert werden, sieht § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG vor, dass Verluste aus Kapitalvermögen nur mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden dürfen. Für Verluste aus der Veräußerung von Aktien gilt nach § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG jedoch eine zusätzliche Verlustverrechnungsbeschränkung. Danach dürfen auch beispielsweise Dividenden nicht mit Aktienveräußerungsverlusten verrechnet werden. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass dadurch Risiken für den Staatshaushalt abgewendet werden sollen. Im zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger aus der Veräußerung von Aktien ausschließlich Verluste zu verzeichnen. Diese wollte er mit seinen Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnen. Da diese nicht aus Aktienveräußerungen erzielt wurden, lehnte das Finanzamt eine Verrechnung mit den Aktienverlusten ab. Der Bundesfinanzhof sieht darin eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Steuerpflichtigen, die daraus resultiert, ob die Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielt wurden. Er erkennt bei einer Gleichbehandlung keine Gefahr der Entstehung erheblicher Steuermindereinnahmen oder missbräuchlicher Gestaltungen. Daher legte er dem Bundesverfassungsgericht mit Vorlagebeschluss vom 17.11.2020 (VIII R 11/18) einen Antrag auf Überprüfung der Sache hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG vor.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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