Stufenweise Ermittlung der zumutbaren Belastung
von Björn Keller
Abweichend von seiner bisherigen Verwaltungsauffassung entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 19.01.2017, dass Steuerpflichtige nun früher und in größerem Umfang durch entstandene außergewöhnliche Belastungen steuerlich entlastet werden können. Bislang richtete sich die Höhe der zumutbaren Belastung ausschließlich nach dem höheren Prozentsatz, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschritt. Zukünftig wird nur der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte mit dem höheren Prozentsatz belastet, der den gesetzlich festgelegten Grenzbetrag übersteigt. Dabei ist zu beachten, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte nicht durch beispielsweise Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung gekürzt werden darf, was auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Grundsätzlich ist der Abzug außergewöhnlicher Belastungen nur möglich, wenn der Steuerpflichtige mit überdurchschnittlich hohen Aufwendungen belastet ist. Die Zumutbarkeitsgrenze wird in drei Stufen (Stufe 1 bis 15.340 €, Stufe 2 bis 51.130 €, Stufe 3 über 51.130 €) in Abhängigkeit von Familienstand und Kinderzahl bemessen. Die Ermittlung erfolgt nach einem bestimmten Prozentsatz von 1 bis 7 % des Gesamtbetrags der Einkünfte. Im Streitfall hatte der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung Krankheitskosten in Höhe von 4.148 € als außergewöhnliche Belastungen erklärt. Der Prozentsatz der Ehegatten zur Ermittlung der zumutbaren Belastung beträgt 2 % in Stufe 1, 3 % in Stufe 2 und 4 % in Stufe 3. Da der Gesamtbetrag der Einkünfte der Eheleute über 51.130 € lag, berechnete das Finanzamt die zumutbare Belastung unter Anwendung des für den Kläger höchstmöglichen Prozentsatzes von 4 %. Dadurch wirkten sich die Krankheitskosten nach dem Abzug der zumutbaren Belastung nur mit 2.069 € steuermindernd aus. Der Bundesfinanzhof gab dem Kläger Recht und ermittelte die zumutbare Belastung entsprechend seines Urteils neu. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs erfasst demzufolge der Prozentsatz für Stufe 1 die Einkünfte bis 15.340 €, für Stufe 2 den Teilbetrag darüber bis 51.130 € und für Stufe 3 nur den Teilbetrag, der die 15.340 € übersteigt. Dadurch erhöhten sich die zu berücksichtigenden Krankheitskosten um 664 €. Maßgebend für die Entscheidung des Bundesfinanzhofs war vor allem die Vermeidung von Härten, die bisher entstehen konnten, wenn eine vorgesehene Stufe nur geringfügig überschritten wurde. Das Urteil des Bundesfinanzhofs ist nicht nur auf die Geltendmachung von Krankheitskosten beschränkt.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz