Pflegefreibetrag für gesetzlich zum Unterhalt verpflichtete Personen

von Björn Keller

Wie der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 10.05.2017 entschied, schließt eine aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht die Gewährung des Pflegefreibetrags nicht aus. Damit widerspricht er der allgemeinen Verwaltungsauffassung. Hat beispielsweise ein Kind einen pflegebedürftigen Elternteil zu Lebzeiten gepflegt, ist es berechtigt, nach dem Ableben des Elternteils bei der Erbschaftsteuer den sogenannten Pflegefreibetrag in Anspruch zu nehmen. Im Streitfall hatte die Klägerin ihre Mutter ca. zehn Jahre lang bis zu deren Tod auf eigene Kosten, also ohne Vergütung, gepflegt. Die Mutter war nach Pflegestufe III eingestuft mit einem monatlichen Pflegegeld von bis zu 700 €. Nach dem Tod der Mutter setzte das Finanzamt entsprechend dem Erbe der Klägerin deren Erbschaftssteuer fest. Einen Pflegefreibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG in Höhe von 20.000 € lehnte es ab, da die Klägerin als Tochter gesetzlich unterhaltsverpflichtet gewesen sei. Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage statt, weil die Klägerin aufgrund des Vermögens der Mutter nur abstrakt zum Unterhalt verpflichtet war. Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Vorentscheidung. Nach seiner Auffassung ist der Begriff "Pflege" grundsätzlich weiter auszulegen. Er erfasst die regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer hilfsbedürftigen Person. Weder aus der gesetzlichen Unterhaltspflicht nach §§ 1601 ff., § 1589 Satz 1 BGB noch aus der Verpflichtung zu Beistand und Rücksicht zwischen Kindern und Eltern nach § 1618a BGB folgt eine generelle gesetzliche Verpflichtung zur persönlichen Pflege. Damit entspricht die Gewährung des Pflegefreibetrags auch für gesetzlich Unterhaltsverpflichtete dem Sinn und Zweck der Vorschrift, ein freiwilliges Opfer der pflegenden Person zu honorieren. Ebenso ist es nicht erforderlich, dass der Erblasser pflegebedürftig im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB XI alter Fassung und einer Pflegestufe nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI alter Fassung zugeordnet war. Da Pflegeleistungen üblicherweise innerhalb der Familie, insbesondere zwischen Kindern und Eltern erbracht werden, würde die Freibetragsregelung bei Ausschluss dieses Personenkreises nahezu ins Leere laufen. Die Höhe des Freibetrags bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei können die Vergütungssätze von entsprechenden Berufsträgern als Vergleichsgröße herangezogen werden. Der Freibetrag kann auch ohne Einzelnachweis zu gewähren sein, sofern es sich - wie im Streitfall - um die Erbringung langjähriger, intensiver und umfassender Pflegeleistungen handelt. Der Entscheidung des Bundesfinanzhofs kommt im Erbfall wie auch bei Schenkungen große Praxisrelevanz zu. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass der Erbe den Pflegefreibetrag auch dann in Anspruch nehmen kann, wenn der Erblasser zwar pflegebedürftig, aber aufgrund eigenen Vermögens nicht unterhaltsberechtigt war.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz