Fahrschulunterricht als steuerfreier Schulunterricht?

von Björn Keller

Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 16.03.2017 dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorgelegt, ob der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts den Fahrschulunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1 mit umfasst. In dem Zusammenhang ist zu klären, ob der Begriff des Privatlehrers in Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL voraussetzt, dass es sich bei dem Unterrichtenden um einen Einzelunternehmer handelt. Oder wird ein Unterrichtender immer dann bereits als Privatlehrer tätig, wenn er für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung arbeitet? Im Streitjahr 2010 erteilte die Klägerin, eine GmbH, Fahrunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B (Pkw-Führerschein) und C1 (ähnlich Fahrerlaubnis B, jedoch Fahrzeuge mit einer Gesamtmasse von nicht mehr als 7500 kg). In ihren Rechnungen wies sie keine gesonderte Umsatzsteuer aus. Sie begründete dies damit, begünstigte Unterrichtleistungen eines Privatlehrers im Sinne Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL zu erbringen, die zudem dem Gemeinwohl dienten. Für Finanzamt und FG jedoch kam eine Umsatzsteuerbefreiung nicht in Betracht, weil nach nationalem Recht Unterrichtsleistungen zur Erlangung dieser Fahrerlaubnisse steuerpflichtig sind. Fahrschulen gelten nicht als allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen, wie es von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG vorausgesetzt wird. Im Streitfall fehlte es zudem an der dort genannten berufs- oder prüfungsvorbereitenden Bescheinigung. Der Bundesfinanzhof allerdings zweifelt an der Umsatzsteuerpflicht für die Erteilung von Fahrunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1. Er bejaht den Unterrichtscharakter der Fahrschulleistung. Er verweist darauf, dass im Bereich der Umsatzsteuer der nationale Gesetzgeber die Bindungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) zu beachten hat. Setzt das nationale Recht eine Steuerfreiheit der Richtlinie nur ungenügend um, besteht für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit, sich auf die Richtlinie zu berufen. Im Streitfall wäre demzufolge nach der EU-Richtlinie der Unterricht von der Steuer zu befreien. Mit dem Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs soll deshalb zweifelsfrei geklärt werden, ob der Fahrschulunterricht zum Erwerb dieser Fahrerlaubnisklassen aus Gründen des Unionsrechts steuerfrei ist. Die zusätzlich erforderliche Anerkennung könne sich daraus ergeben, dass der Unterrichtende die Fahrlehrerprüfung nach § 4 des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen abgelegt haben muss. In Betracht komme auch eine Steuerfreiheit als Privatlehrer. Die nunmehr vom EuGH zu treffende Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung für die Umsatzbesteuerung der über 10000 Fahrschulen in der Bundesrepublik Deutschland.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz