Entfernungspauschale für "offensichtlich verkehrsgünstigere" Straßenverbindung
von Björn Keller
Mit zwei Urteilen vom 16.11.2011 (VI R 19/11 und VI R 46/10) konkretisiert der Bundesfinanzhof, unter welchen Voraussetzungen die Entfernungspauschale für einen längeren als den kürzesten Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Anspruch genommen werden kann. Grundsätzlich kann die Entfernungspauschale nur für die kürzeste Entfernung berücksichtigt werden. Ist allerdings eine andere Verbindung "offensichtlich verkehrsgünstiger" und wird diese vom Arbeitnehmer regelmäßig benutzt, kann nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG auch dann die Entfernungspauschale geltend gemacht werden. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Vor allem ist nicht in jedem Fall eine Zeitersparnis von mindestens 20 Minuten erforderlich. In einem der strittigen Fälle wies das FG eine Klage ab, weil die nach seiner Auffassung erforderliche stets zu erwartende Fahrtzeitverkürzung von mindestens 20 Minuten nicht nachgewiesen werden konnte. Im zweiten Fall gab das FG der Klage teilweise statt, berücksichtigte aber bei der Berechnung der Entfernungspauschale eine vom Kläger tatsächlich nicht benutzte Verbindung, die dem FG jedoch verkehrsgünstiger erschien. Der Bundesfinanzhof begründete in seinen Urteilen, dass z.B. auch die Streckenführung, die Schaltung von Ampeln o. ä. in die Beurteilung einzubeziehen sind. Eine Straßenverbindung kann dann verkehrsgünstiger als die kürzeste Verbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sein, wenn der Arbeitnehmer eine andere – längere - Straßenverbindung nutzt und auf diese Weise die Arbeitsstätte trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen in der Regel schneller und pünktlicher erreicht. Das gilt auch dann, wenn dabei eine geringere Zeitersparnis als 20 Minuten zu erwarten ist. Außerdem wurde klargestellt, dass nur die vom Steuerpflichtigen tatsächlich benutzte Straßenverbindung in Betracht kommt. Eine andere mögliche, aber von ihm nicht benutzte Straßenverbindung kann der Berechnung der Entfernungspauschale nicht zugrunde gelegt werden.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz