Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte
von Björn Keller
Das FG Nürnberg entschied mit seinem Urteil vom 09.05.2018 (5 K 167/17), dass bei einem auf mehr als drei Monate angelegten Fortbildungslehrgangs, der in Vollzeit und außerhalb eines Arbeitsverhältnisses besucht wird, am Ort der Bildungseinrichtung eine erste Tätigkeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG vorliegt. Im Streitfall war der Kläger einige Wochen arbeitslos, bevor er vom 08.09. bis 18.12.2014 einen Schweißtechnikerlehrgang in Vollzeit absolvierte. Er machte Kosten für Unterbringung und Verpflegung als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte diese nicht an, zumal auch keine Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung vorlagen. Es war der Auffassung, dass die Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte anzusehen ist. Dem stehe auch die befristete Lehrgangsdauer von gut drei Monaten nicht entgegen. Denn im Gesetzeswortlaut sei nicht von einer Zuordnung für einen bestimmten Zeitraum die Rede, sondern vom tatsächlichen Aufsuchen der Lehreinrichtung. Auch das FG Nürnberg kam zu diesem Ergebnis. Der Kläger sei für die Zeit des schweißtechnischen Lehrgangs kein Arbeitnehmer gewesen, da er sich in dieser Zeit nicht in einem Arbeitsverhältnis befand. Deshalb bestimme sich seine erste Tätigkeitsstätte nicht nach den nur für Arbeitnehmer geltenden Regeln des § 9 Abs. 4 Satz1 bis 7 EStG, sondern nach Satz 8 dieser Vorschrift. Die Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt sei daher während des Lehrgangs die erste Tätigkeitsstätte des Klägers im Sinne von Satz 8 dieser Regelung gewesen. Diese Einrichtung hat er auch tatsächlich im Rahmen einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht. Der Abzug von Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen ist demzufolge ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass der Schweißtechnikerlehrgang von vornherein auf mehr als drei Monate angelegt war. Der Kläger hatte somit die Möglichkeit, seine Kosten zu mindern. Davon machte er auch tatsächlich Gebrauch, indem er eine Wohnung anmietete und so die Kosten und Mühen des täglichen Pendels vermied. Die Revision wurde dennoch zugelassen, da es von grundsätzlicher Bedeutung und bislang nicht höchstrichterlich geklärt ist, ab welcher Dauer einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme die aufgesuchte Bildungseinrichtung als erste Tätigkeitsstätte zu werten ist.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz