Berichtigungsmöglichkeit bei Abweichen des erklärten Arbeitslohns von dem elektronisch beigestellten Arbeitslohn

von Björn Keller

Gleicht das Finanzamt bei einer Papiererklärung den elektronisch beigestellten Arbeitslohn generell nicht mit dem in der Einkommensteuererklärung erklärten Arbeitslohn ab und wird dieser infolgedessen im Einkommensteuerbescheid unzutreffend erfasst, liegt keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO vor. Das Finanzamt kann den Fehler deshalb nicht im Nachhinein berichtigen. Bei Unstimmigkeiten zwischen dem vom Steuerpflichtigen erklärten und dem elektronisch beigestellten Arbeitslohn hat das Finanzamt regelmäßig zu ermitteln, welches der zutreffende Arbeitslohn ist. So entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 16.01.2018 (VI R 41/16). Im zugrundeliegenden Fall wechselte die Klägerin im Streitjahr 2011 ihren Arbeitgeber. Den aus diesen beiden Arbeitsverhältnissen bezogenen Arbeitslohn erklärte sie gegenüber dem Finanzamt in ihrer Einkommensteuererklärung zutreffend. Diese wurde in Papierform eingereicht. Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid allerdings nur den Arbeitslohn aus dem Arbeitsverhältnis bei dem zweiten Arbeitgeber. Nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids stellte es fest, dass der vorherige Arbeitgeber im Nachhinein ebenfalls Lohndaten für die Klägerin übermittelt hatte. Es erließ einen Änderungsbescheid mit Bezug auf § 129 Satz 1 AO. Nach dieser Vorschrift kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Im konkreten Fall widersprachen jedoch FG und Bundesfinanzhof der Auffassung des Finanzamts. Entscheidend war, dass die Klägerin ihren Arbeitslohn zutreffend erklärt hat. Das Finanzamt vertraute darauf, dass die vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Daten zutreffend waren und beachtete die Angaben der Klägerin nicht. Sofern es bei einer solchen Vorgehensweise zu einer fehlerhaften Erfassung des Arbeitslohns kommt, liegt kein mechanisches Versehen vor. Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass es sich dabei eindeutig um einen Ermittlungsfehler des Finanzamts handelt. Eine spätere Berichtigung nach § 129 AO ist demzufolge nicht möglich. Ebenso kann sich der Steuerpflichtige in vergleichbaren Fällen nicht im Nachhinein auf § 129 AO berufen, wenn aufgrund einer fehlerhaften Meldung des Arbeitgebers zu viel Arbeitslohn erfasst wurde und er den Fehler erst nach Ablauf der Einspruchsfrist bemerkt.
Hinweis: Seit 01.01.2017 gilt eine Neuregelung in § 175b AO. Danach ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit die von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelten Daten bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz