Anspruch auf Kindergeld trotz Vollzeitbeschäftigung

von Björn Keller

Kindergeld wird auch für Kinder gewährt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und eine der in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG genannten Voraussetzungen erfüllen. Darüber hinaus durften bis 31.12.2011 die Einkünfte und Bezüge des Kindes einen Jahresgrenzbetrag nicht überschreiten. Im behandelten Streitfall erhielt der Sohn des Klägers von Januar bis Juni 2008 eine Berufsausbildung. In den Monaten Juli und August 2008 wurde er von seinem Ausbildungsbetrieb in eine Vollzeitbeschäftigung übernommen. Ab September 2008 befand er sich wieder in Berufsausbildung. Der Kläger bezog bis dahin Kindergeld und beantragte ab September die Weiterzahlung. Die Familienkasse hob jedoch die Festsetzung des Kindergeldes nach § 70 Abs. 4 EStG in der für das Jahr 2008 geltenden Fassung durch einen Bescheid vom Oktober rückwirkend ab Januar 2008 auf. Sie war der Ansicht, dass die im Jahr 2008 anfallenden Einkünfte und Bezüge des Sohnes  einschließlich der Vergütung aus der Vollzeiterwerbstätigkeit über dem für 2008 maßgeblichen Grenzbetrag von 7.680 EUR liegen. Das FG sprach dem Kläger Kindergeld für die Monate Januar bis Juli sowie September bis Dezember zu. Bezüglich der Monate Juli und August war es der Auffassung, dass diese nicht in die Ermittlung des Grenzbetrages einzubeziehen seien. Aufgrund der Revision seitens der Familienkasse befasste sich nun der Bundesfinanzhof mit dem Fall. Gemäß seinem Urteil vom 15.03.2012 war der Sohn des Klägers im gesamten Jahr als Kind zu berücksichtigen, sofern die Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag nicht überschritten haben sollten. In den beiden Monaten Juli und August 2008 erfüllte er den Tatbestand nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG (Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten), möglicherweise auch den nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG (Warten auf einen Ausbildungsplatz). Das FG muss in einem zweiten Rechtsgang die Einkünfte und Bezüge für das gesamte Jahr feststellen, um über den Kindergeldanspruch entscheiden zu können. Außerdem muss es berücksichtigen, dass - bei einem Überschreiten des Jahresgrenzbetrags - eine rückwirkende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung ab Januar 2008 nach § 70 Abs. 4 EStG nicht in Betracht kommt, wenn sich hinsichtlich der Einkünfte und Bezüge keine tatsächlichen Änderungen gegenüber der Annahme in der Prognose ergeben haben und allein die Einbeziehung der Einkünfte aus der Vollzeiterwerbstätigkeit in Folge einer geänderten Rechtsauffassung zur nachträglichen Feststellung der Grenzbetragsüberschreitung geführt hat.

Ab 2012 hat sich die Rechtslage zur Berücksichtigung von volljährigen Kindern grundlegend geändert. Insbesondere kommt es nicht mehr auf die Höhe der eigenen Einkünfte der Kinder an. Allerdings kommt eine Berücksichtigung als Kind nach Abschluss der ersten Berufsausbildung nur dann in Betracht, wenn die weitere Tätigkeit einen bestimmten zeitlichen Umfang nicht überschreitet.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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