Abgrenzung zwischen Erst- und Zweitausbildung bei einem bereits erwerbstätigen Kind

von Björn Keller

In seinem Urteil vom 20.02.2019 (III R 42/18) befasste sich der Bundesfinanzhof erneut mit der Abgrenzung zwischen Erst- und Zweitausbildung eines bereits erwerbstätigen Kindes. Diese Abgrenzung ist immer dann notwendig, wenn ein volljähriges Kind nach Erlangung eines ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine nicht unter § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG fallende Berufstätigkeit aufnimmt. Dann erfordert § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zwischen einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit und einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) genau zu unterscheiden. Eine einheitliche Erstausbildung im Sinne vorgenannter Vorschrift ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht anzunehmen, wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und somit die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine Nebensache darstellen. Allerdings verwies er darauf, dass die Vorlage der Absichtserklärung zur Fortführung der Erstausbildung nicht zwingend spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts bei der Familienkasse vorgelegt werden muss. Ebenso sah es der Bundesfinanzhof als für den Kindergeldanspruch unschädlich an, wenn der zweite Ausbildungsabschnitt eine Erwerbstätigkeit zur Abschlussvoraussetzung macht. Im strittigen Fall befand sich die Tochter der Klägerin bis Juli 2013 in einer Ausbildung zur Verwaltungsangestellten. Von November 2013 bis Juli 2016 absolvierte sie einen berufsbegleitenden Angestelltenlehrgang zur Verwaltungsfachwirtin. Daneben stand sie in einem Vollzeitarbeitsverhältnis bei einer Stadtverwaltung. Die Familienkasse hob den Kindergeldanspruch ab August 2013 auf. Sie begründete dies damit, dass die Tochter bereits eine erste Berufsausbildung abgeschlossen habe und während der Zweitausbildung einer umfangreichen Erwerbstätigkeit nachging. Das FG hingegen wertete den Angestelltenlehrgang noch als Teil einer einheitlichen Erstausbildung und verpflichtete die Familienkasse das Kindergeld bis März 2016 weiterzuzahlen. Der Bundesfinanzhof gab der Revision der Familienkasse statt. Grundsätzlich besteht für in Ausbildung befindliche volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur dann ein Kindergeldanspruch, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, die regelmäßig mehr als 20 Wochenstunden umfasst. Allerdings können auch mehrere Ausbildungsabschnitte zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammen zu fassen sein, wenn sie in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Eine solche einheitliche Erstausbildung liegt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs jedoch dann nicht mehr vor, wenn die nach Erlangung des ersten Berufsabschlusses aufgenommene Erwerbstätigkeit bereits die hauptsächliche Tätigkeit des Kindes darstellt, es damit selbst für seinen Unterhalt sorgen kann und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur der Weiterbildung oder dem Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Beruf dienen. Unter Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze muss nun das FG im zweiten Rechtsgang prüfen, ob das Ausbildungsverhältnis dem Beschäftigungsverhältnis untergeordnet war oder umgekehrt das Beschäftigungsverhältnis dem Ausbildungsverhältnis.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

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