2012

Kraftfahrzeugsteuerliche Einordnung von Pickup-Fahrzeugen

Mit seinem Urteil vom 29.08.2012 hat der Bundesfinanzhof einige Grundsätze zur steuerlichen Einordnung von Pickup-Fahrzeugen definiert. So ist bei derartigen Fahrzeugen mit Doppelkabine typisierend davon auszugehen, dass sie nicht vorwiegend dazu geeignet und bestimmt sind, Lasten zu befördern, sofern ihre Ladefläche oder ihr Laderaum nicht mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmacht (Bestätigung der Rechtsprechung). Auch wenn die Ladefläche nur unwesentlich größer als die Fläche zur Personenbeförderung ist, spricht dies eher dafür, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend der Lastenbeförderung dienen soll. Bei größerer Ladefläche im Vergleich zur Fläche für die Personenbeförderung, erfolgt die Abgrenzung nach den allgemeinen Kriterien. In die Berechnung der Ladefläche sind alle Flächen einzubeziehen, die geeignet sind, eine Ladung zu transportieren. Dazu gehören auch Ausbeulungen in den Laderaum, z.B. für Radkästen, die aufgrund ihres Abstandes zum oberen Rand der Ladekante und bei gegebener Belastbarkeit noch als Ladefläche (z.B. für Schüttgut oder für flache Gegenstände) genutzt werden können. Im entschiedenen Streitfall ist der Kläger Halter eines Pickup-Fahrzeugs mit Doppelkabine der Marke Landrover. Es verfügt über fünf Sitzplätze einschließlich Fahrersitz und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. Verkehrsrechtlich ist das Fahrzeug als Lastkraftwagen zugelassen. Das Finanzamt stellte die Größe der Ladefläche zunächst mit 2,58 qm und die zur Personenbeförderung dienende Fläche mit 2,87 qm fest und erließ daraufhin gegenüber dem Kläger einen Kraftfahrzeugsteuerbescheid unter Einordnung des Fahrzeugs als Personenkraftwagen. Obwohl ein Sachverständiger des Finanzamts nach erneuter Vermessung zu einer für die Personenbeförderung vorgesehenen Fläche von 2,81 qm und zu einer für die Lastenbeförderung vorgesehenen Fläche von 2,86 qm kam, lehnte das Finanzamt eine Änderung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids mit der Begründung ab, von der Ladefläche von 2,86 qm seien 0,3 qm für die Fläche der beiden Radkästen und des Kraftstoffeinfüllstutzens abzuziehen. Der Bundesfinanzhof bestätigt nun die Meinung der Vorinstanzen, das Fahrzeug als Personenkraftwagen einzuordnen, obwohl die Neuvermessung eine größere Ladefläche auswies. Entscheidend sind in diesem Falle, dass die Ladefläche nur unerheblich größer ist als die Fläche zur Personenbeförderung, die für den Personentransport geeignete Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h sowie die gesamte Ausstattung des Fahrzeuges, wie beispielsweise die vier Türen, die fünf kompletten Sitze und die Vollverglasung der Personenkabine.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Einlage als Gestaltungsmissbrauch

Der Bundesfinanzhof hat mit seinem Urteil vom 21.08.2012 entschieden, dass die kurzfristige Einzahlung von Geld auf ein betriebliches Konto einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO darstellt, sofern damit bezweckt werden soll, die Hinzurechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG zu umgehen. Danach ist der Abzug von Schuldzinsen als Betriebsausgaben eingeschränkt, wenn der Unternehmer mehr aus dem Betriebsvermögen entnommen hat, als dem Betrieb zuvor durch Einlagen und Gewinne zugeführt worden ist, also Überentnahmen getätigt wurden. Die auf Überentnahmen beruhenden Schuldzinsen werden dem Gewinn wieder pauschal hinzugerechnet. Im konkreten Streitfall erzielte der Kläger, ein selbständiger Facharzt, in den Streitjahren 2001 bis 2003 unter anderem Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Den Gewinn ermittelte er gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Im Jahr 2001 erwarben er und seine Frau ein Grundstück und bebauten es mit einem selbst genutzten Einfamilienhaus. Zur Bezahlung der Anschaffungskosten verwendete der Kläger Betriebseinnahmen aus seiner ärztlichen Praxis – der Betrieb musste deshalb vermehrt Darlehen in Anspruch nehmen. Trotz hoher betrieblicher Schuldzinsen erklärte er fast keine Hinzurechnungen für nicht abziehbare Schuldzinsen. Eine bei ihm durchgeführte Außenprüfung führte zu der Feststellung, dass der Kläger dem betrieblichen Girokonto jeweils zum Jahresende hohe Geldbeträge zugeführt und diese kurz danach wieder entnommen hatte. Das Geld hatte er sich bei einem Kreditinstitut geliehen. Aufgrund dieser Feststellungen wurden neue Einkommensteuerbescheide mit entsprechend höherer Einkommensteuer erlassen. Der Bundesfinanzhof bestätigt nun mit seinem Urteil die Auffassung der Vorinstanzen, dass ein Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO vorliegt und demzufolge die Schuldzinsen dem Gewinn hinzuzurechnen sind.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Keine Verfassungszweifel an den Hinzurechnungsvorschriften des Gewerbesteuergesetzes

Mit Beschluss vom 16.10.2012 entschied der Bundesfinanzhof, dass die Hinzurechnungsvorschriften nach § 8 Nr. 1 GewStG nicht ernsthaft als verfassungswidrig zu betrachten sind und widerspricht damit der Auffassung des FG Hamburg. Dieses ist von der Verfassungswidrigkeit der Hinzurechnungsvorschriften überzeugt und erkennt in diesen insbesondere einen Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Es hat deswegen am 29.02.2012 das Bundesverfassungsgericht zur Durchführung einer Normenkontrolle angerufen. Die Gewerbesteuer ist als sogenannte Realsteuer eine finanzverfassungsrechtlich garantierte kommunale Steuer, deren Grundlage zunächst der Gewinn des Gewerbebetriebes ist. Um den Kommunen einerseits einen Ausgleich für die durch den Betrieb verursachten Lasten zu schaffen und ihnen andererseits ein möglichst stabiles Steueraufkommen zu sichern, wird dieser Gewinn allerdings durch Hinzurechnungen und Kürzungen modifiziert. Besteuerungsgegenstand soll auf diese Weise der Gewerbebetrieb als „Objekt“ sein. Gemäß Bundesverfassungsgericht genügt diese „ertragsorientierte Objektsteuer“ aber nach wie vor den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Im behandelten Streitfall ging es um eine GmbH, die in angepachteten Gebäuden ein Hotel betreibt. Im Streitjahr 2009 erwirtschaftete sie daraus einen handelsrechtlichen Jahresfehlbetrag in Höhe von rund 6,3 Mio. €. Der körperschaftsteuerliche Verlust betrug rd. 3,4 Mio. €. Die GmbH wandte Schuldentgelte in Höhe von rund 50.000 €, Pachtzinsen für bewegliche Wirtschaftsgüter in Höhe von rund 9,4 Mio. € und für unbewegliche Wirtschaftsgüter in Höhe von rund 56 Mio. € sowie Lizenzgebühren in Höhe von rund 87.000 € auf. Diese Aufwendungen führten bei der Ermittlung des Gewerbeertrages zu Hinzurechnungen zum Gewinn in Höhe von insgesamt 9,6 Mio. € und zu einem Gewerbesteuermessbetrag von rund 62.000 €. Die GmbH betrachtete diese Hinzurechnungen als verfassungswidrig und sah sich durch das FG Hamburg bestätigt. Sie beantragte deshalb die Aussetzung der Vollziehung, was das Finanzamt ablehnte. Diese Auffassung stützte der Bundesfinanzhof nun in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund summarischer Prüfung. Mit Bezug auf die ständige  Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts ist er sicher, dass die Hinzurechnungsregelungen und damit auch der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid keine für die Gewährung der Aussetzung auf Vollzug hinreichend qualifizierten verfassungsrechtlichen Bedenken aufwerfen.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Meldung als Arbeitsuchender nach dem Ende der Berufsausbildung

Einem Kind über 18 Jahren wird dann Kindergeld gezahlt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist. Zur letzten Voraussetzung urteilte der Bundesfinanzhof am 26.07.2012, dass bei Arbeitslosigkeit eines Kindes nach dem Ende der Berufsausbildung im Rahmen eines Antrags auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gleichzeitig eine Meldung als Arbeitsuchender im Sinne des § 122 SGB III anzunehmen ist. Im strittigen Fall hatte die Klägerin nach dem Ausbildungsabschluss der Tochter erhöhte Leistungen bei der ARGE beantragt und auch bewilligt bekommen. Ein Antrag auf Kindergeld wurde seitens der Familienkasse jedoch abgelehnt, da die ARGE mitgeteilt hatte, das Kind sei dort nicht arbeitsuchend gemeldet. Der Bundesfinanzhof stellt mit seinem Urteil nun klar, dass als Arbeitsuchender gemeldet ist, wer gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit oder ARGE persönlich die Tatsache einer künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit anzeigt. Davon war im Streitfall auszugehen, da die Tochter im Zusammenhang mit der Antragstellung auf Leistungen im Mai 2006 die ARGE über ihre Beschäftigungslosigkeit nach Ausbildungsende persönlich in Kenntnis gesetzt und sich damit als arbeitsuchend gemeldet hat. Die Mitteilung erfüllte die Voraussetzungen des § 122 SGB III. Es war Aufgabe der ARGE, die Anzeige der Arbeitslosigkeit der Familienkasse mitzuteilen. Dass dies unterblieb, durfte nicht der Klägerin angelastet werden. Zudem war die ARGE ab diesem Zeitpunkt in der Lage, ihrer Verpflichtung gemäß § 3 Abs. 2 SGB II nachzukommen, also Vermittlungsbemühungen zu starten, um die Arbeitslosigkeit möglichst rasch zu beseitigen.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

 

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Anspruch auf Kindergeld trotz Vollzeitbeschäftigung

Aufrechnung von Forderungen und Gegenforderungen im Insolvenzverfahren

In zwei Urteilen vom 25.07.2012 stellte der Bundesfinanzhof klar, dass das Finanzamt bei Insolvenz eines Steuerpflichtigen nur dann seine offenen Umsatzsteuerforderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen Zahlungsansprüche des betreffenden Unternehmens (etwa aus Vorsteuerüberhängen in anderen Veranlagungszeiträumen) aufrechnen kann, wenn der Berichtigungstatbestand schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten ist. Damit änderte der Bundesfinanzhof die bisherige Rechtsprechung. Im ersten Streitfall (VII R 29/11) geriet nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Geschäftspartner des insolventen Unternehmers ebenfalls in Insolvenz, sodass dessen  geschuldetes Leistungsentgelt uneinbringlich wurde. Dies führte zu einer Berichtigung der Umsatzsteuer zu Gunsten des insolventen Unternehmers. In diesem Fall durfte das Finanzamt jedoch gegen den dadurch ausgelösten Umsatzsteuererstattungsanspruch des Unternehmers seine eigenen Insolvenzforderungen nicht verrechnen, da der Tatbestand erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintrat. Im zweiten Streitfall (VII R 44/10) war im August 2001 von einer GmbH Insolvenz angemeldet worden. Daraufhin wurde am 01.01.2002 über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Unternehmen hatte 2001 Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben, die aufgrund hoher Vorsteuern in allen Monaten zu Vergütungsbeträgen führten. Mit Bescheid vom November 2001 setzte das Finanzamt für August 2001 Umsatzsteuer fest, da nach seiner Auffassung die in den Anmeldungen Januar bis August 2001 berücksichtigten Vorsteuern aufgrund des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen seien. In einer Umbuchungsmitteilung vom Dezember 2001 verrechnete es diese Umsatzsteuerforderung mit den von der Schuldnerin für September bis November 2001 angemeldeten Vergütungsforderungen und durch Umbuchungsmitteilung vom Februar 2002 mit dem Vergütungsanspruch Dezember 2001. Die Klage des Insolvenzverwalters wurde abgewiesen. Der Bundesfinanzhof stützte mit seinem Urteil die Auffassung der Vorinstanzen. Das Aufrechnungsverbot des § 96 InsO war in dem Falle nicht zu beachten, da Forderung und Gegenforderung im selben Besteuerungszeitraum entstanden und deshalb gegeneinander zu verrechnen waren. Wenn eine Saldierung in einem Steuerfestsetzungsbescheid nicht mehr vorgenommen werden kann, weil vor Ablauf des betreffenden Steuerjahres das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, greife die Verrechnung von Forderungen und Gegenforderungen automatisch. Ein Streit über die Zulässigkeit einer zuvor vom Finanzamt erklärten Aufrechnung wurde somit gegenstandslos.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz