2011

Nachweis für das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz

In seinem Urteil vom 22.09.2011 entschied der Bundesfinanzhof, dass einer von der Agentur für Arbeit für den Rentenversicherungsträger erstellten Bescheinigung über Anrechnungszeiten der Ausbildungssuche im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI ein besonderer Beweiswert zukommt, der aber ggf. widerlegt werden kann (§ 418 Abs. 2 ZPO). Die Bescheinigung gilt als öffentliche Urkunde hinsichtlich des darin vermerkten Tages der Anmeldung des Ausbildungssuchenden bei der Berufsberatung. Werden die Zeiten der Ausbildungssuche allerdings pauschal bis zum 30. September eines Berichtsjahres bescheinigt, dient die Meldung im Bereich des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG grundsätzlich nur für drei Monate. Im entschiedenen Fall hatte die im September 1986 geborene Tochter der Klägerin vorzeitig im April 2005 die 11. Klasse einer Gesamtschule verlassen, bezog jedoch bis Ende 2006 noch Kindergeld. Auf Nachfrage der Familienkasse nach anspruchsbegründenden Ausbildungsnachweisen ab Mai 2005 übersandte die Klägerin ein Schreiben der Bundesagentur für Arbeit vom 30.04.2006, mit dem diese sich wegen der "Meldung beitragsfreier Zeiten an die Rentenversicherung; Beendigungsmeldung für die Ausbildungssuche bei einer deutschen Agentur für Arbeit" an die Tochter gewandt hatte. In diesem Schreiben war für den Meldezeitraum 2005 die Zeit vom 27.04.2005 bis zum 30.09.2005 nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI die Ausbildungssuche gemeldet. Da die Klägerin keine weiteren Unterlagen vorlegte, hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes ab Mai 2005 auf und forderte das bis August 2006 überzahlte Kindergeld zurück. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das FG gab allerdings der Klage hinsichtlich der Monate Mai bis September 2005 statt. Dieser Entscheidung folgt der Bundesfinanzhof nur zum Teil. Grundsätzlich besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Dabei ist das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz glaubhaft nachzuweisen, z.B. durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist. Eine solche Registrierung ist in ihrer Wirkung auf drei Monate beschränkt. Das Kind muss sich nach Ablauf dieser Frist erneut als Ausbildungssuchender melden. Eine positive Bescheinigung der Agentur über die Registrierung reicht in aller Regel als Nachweis der Ausbildungswilligkeit aus. Eine für den Rentenversicherungsträger bestimmte Bescheinigung von Zeiten der Ausbildungssuche gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI ist allenfalls Nachweis dafür, dass das Kind sich zu Beginn des bescheinigten Zeitraums bei der Agentur für Arbeit gemeldet hat, nicht jedoch dafür, dass es alle drei Monate als Ausbildungssuchender vorstellig wurde. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze hat die Klägerin nur für die Monate Mai bis Juli 2005 Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter, da sie keine weiteren Kontakte mit der Agentur für Arbeit nachweisen konnte.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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Semestergebühren gelten insgesamt als ausbildungsbedingte Mehraufwednungen

Semestergebühren gelten insgesamt als ausbildungsbedingte Mehraufwendungen

Mit seinem Urteil vom 22.09.2011 entschied der Bundesfinanzhof, dass die zur Aufnahme oder Fortsetzung eines Studiums zu entrichtenden Semestergebühren keine Mischkosten darstellen. Sie sind grundsätzlich insgesamt als abziehbarer ausbildungsbedingter Mehrbedarf zu bewerten, auch wenn der Studierende dadurch privat nutzbare Vorteile (z.B. Semesterticket) erlangt. Im entschiedenen Fall beantragte der Kläger für seinen an der Universität studierenden Sohn Kindergeld. Die beklagte Familienkasse lehnte dies ab, da die Einkünfte des Sohnes über dem maßgeblichen Jahresgrenzbetrag lagen und ließ dabei die von ihm gezahlten Semestergebühren nicht zum Abzug zu. Die dagegen erhobene Klage beim FG hatte Erfolg. Durch die Wertung der Semestergebühren insgesamt als abziehbarer ausbildungsbedingter Mehrbedarf, lagen die Einkünfte des Sohnes nicht über dem maßgeblichen Jahresgrenzbetrag und demzufolge war Kindergeld zu gewähren. Dieser Ansicht folgte auch der Bundesfinanzhof. Demzufolge dürfen Semestergebühren nicht als Mischkosten beurteilt werden, deren Einzelpositionen nur dann abgezogen werden können, wenn die erhebende Institution diese getrennt ausweist. Vielmehr stellen Semestergebühren insgesamt ausbildungsbedingte Mehraufwendungen dar, weil der Studierende bei Aufnahme oder Fortsetzung seines Studiums diese Gebühren in voller Höhe zwingend entrichten muss. Er hat dabei keinerlei Einfluss auf die Erlangung privat nutzbarer Vorteile (z.B. Semesterticket), insoweit liegt auch keine schädliche private Mitveranlassung vor. Die Semesterkosten müssen einzig zum Zweck der Erlangung des Studentenstatus entrichtet werden. Demnach greift auch nicht die Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale ein, weil die Aufwendungen für ein über die Semestergebühr erhaltenes Semesterticket nicht durch die Fahrten zwischen Wohnung und Universität veranlasst sind.

Anmerkung: Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurde die Einkünfte- und Bezügegrenze für volljährige Kinder beim Familienleistungsausgleich ab dem Veranlagungszeitraum 2012 abgeschafft. Bis zum Abschluss der Erstausbildung ist die Höhe der Einkünfte und Bezüge demnach zukünftig unerheblich für den Bezug von Kindergeld bzw. den Abzug des Kinderfreibetrages.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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Praktikumsvergütung für Studenten kann für Kindergeld nachteilig sein

Grobes Verschulden bei Nutzung einer Steuersoftware

Der Einsatz von Steuersoftware enthebt einen Steuerpflichtigen nicht von seiner Pflicht, sich dennoch mit der zur Steuererklärung gehörenden amtlichen „Anleitung zur Einkommenssteuererklärung“ zu befassen. Bleiben beispielsweise bestimmte Ausgaben unberücksichtigt, nur weil die Hinweise nicht sorgfältig gelesen und demzufolge auch nicht beachtet wurden, muss sich der Steuerpflichtige dies als grob fahrlässiges Handeln zurechnen lassen und kann später keinen Änderungsantrag gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO stellen. So entschied das FG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 30.08.2011. Im strittigen Fall hatte der Kläger seine Einkommensteuererklärung mit einer handelsüblichen Steuererklärungssoftware erstellt und dann mittels ElsterFormular elektronisch an das Finanzamt gesendet. Er beantragte nach Bestandskraft des Steuerbescheides diesen zu seinen Gunsten zu ändern, da in der Steuererklärung seine Kinderbetreuungskosten nicht angegeben waren. Er erklärte das Versäumnis mit verwirrenden Vorschriften und der Menü-Führung des Programms, aufgrund dessen er nicht erkannt hätte, dass er diese Kosten hätte geltend machen können. Da im amtlichen Steuererklärungsformular ausdrücklich nach Kinderbetreuungskosten gefragt wird, bescheinigte ihm das FG grobes Verschulden. Nach geltendem Recht hat ein Steuerpflichtiger auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten. Ebenso hat er bei Verwendung einer nicht amtlich bereitgestellten Steuersoftware das Risiko einer fehler- oder lückenhaften Fragestellung zu tragen. Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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Grobes Verschulden durch Nichtbeachtung der zugehörigen Anleitung bei Verwendung des Elster-Programms

Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit der Installation einer Fotovoltaikanlage

In gleich drei Urteilen vom 19.07.2011 äußerte sich der Bundesfinanzhof zu den Voraussetzungen und zum Umfang eines Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit der Installation einer Fotovoltaikanlage (FV-Anlage) zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie. Danach gilt ein privater Betreiber einer FV-Anlage umsatzsteuerrechtlich als Unternehmer, sofern er den mit seiner Anlage erzeugten Strom kontinuierlich an einen Energieversorger veräußert. Er ist grundsätzlich berechtigt, die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer aus Aufwendungen, die mit seinen Umsätzen aus den Stromlieferungen in direktem und unmittelbarem Zusammenhang stehen, abzuziehen. Im ersten Fall (Az. XI R 29/09) installierte ein privater Stromerzeuger seine FV-Anlage auf dem Dach eines von ihm zum Zwecke der Stromerzeugung errichteten, ansonsten aber nicht genutzten Schuppens. Hier kann der Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Schuppens nur teilweise beansprucht werden, und zwar nur für den Anteil, der für die Stromlieferungen unternehmerisch genutzt wird. Voraussetzung ist dabei, dass die unternehmerische Nutzung des Schuppens mindestens 10 % der Gesamtnutzung beträgt. Anderenfalls gilt nach dem UStG die Lieferung eines Gegenstands (hier: Schuppens) als nicht für das Unternehmen ausgeführt und würde demzufolge auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen. Im zweiten Fall (Az. XI R 21/10) installierte ein privater Stromerzeuger eine FV-Anlage auf dem Dach eines Carports, den er gleichzeitig zum Unterstellen eines privat genutzten PKW verwendete. Aufgrund der gesamten Nutzung des Carport kann dieser nach Rechtslage im Streitjahr 2008 insgesamt dem Stromerzeugungsunternehmen zugeordnet werden und berechtigt zum Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten in vollem Umfang. Voraussetzung ist wiederum eine unternehmerische Nutzung von mindestens 10 %. Die private Verwendung des Carports muss allerdings als sogenannte unentgeltliche Wertabgabe versteuert werden. An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass seit 01.01.2011 der Vorsteuerabzug in derartigen Fällen auch nur noch teilweise möglich ist. Nach § 15 Abs. 1b UStG ist der Vorsteuerabzug u. a. für Lieferungen und sonstige Leistungen ausgeschlossen, soweit diese nicht auf die unternehmerische Verwendung eines Gebäudes entfallen. Im dritten Fall (Az. XI R 29/10) ließ ein privater Stromerzeuger das Dach einer bereits vorhandenen, aber leer stehenden Scheune neu eindecken. Auf der Südseite des Daches installierte er eine FV-Anlage. Ein Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen für die Neueindeckung des Daches kann hier ebenfalls nur teilweise gestattetet werden, nämlich nur in dem Umfange des unternehmerischen Nutzungsanteils an der gesamten Scheune. Die 10 %-Grenze gilt in diesem Falle nicht, weil es nicht um Herstellungskosten eines gelieferten Gegenstands geht, sondern um Erhaltungsaufwendungen in Form von Dienstleistungen. Der Bundesfinanzhof empfiehlt für die Ermittlung des unternehmerischen Nutzungsanteil einen Umsatzschlüssel, bei dem ein fiktiver Vermietungsumsatz für den nichtunternehmerisch bzw. privat genutzten inneren Teil des Gebäudes einem fiktiven Umsatz für die Vermietung der Dachfläche an einen Dritten zum Betrieb einer FV-Anlage gegenübergestellt wird. Der Bundesfinanzhof verwies alle drei Verfahren an die Finanzgerichte zurück, damit diese den jeweiligen unternehmerischen Nutzungsanteil ermitteln.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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Drastische Einschnitte beim Gründungszuschuss beschlossen

In seiner Sitzung vom 22.11.2011 hat der Vermittlungsausschuss erneut über das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt beraten. Hinsichtlich der in diesem Gesetz geplanten tiefgreifenden Änderungen beim Gründungszuschuss konnte keine Einigung erzielt werden. In der veröffentlichten Beschlussempfehlung sind lediglich Änderungen bezüglich der Eingliederung von Älteren und Anpassungen bei der beruflichen Bildung enthalten. Die vom Bundestag bereits am 23.09.2011 beschlossenen Änderungen beim Gründungszuschuss werden daher kurzfristig umgesetzt werden, da nunmehr am 24. und 25.11. 2011 Bundestag und Bundesrat der geänderten Gesetzesfassung zugestimmt haben. Im Einzelnen wird es die folgenden Veränderungen beim Gründungszuschuss geben:

- Umwandlung in eine Ermessenleistung

- Kürzung der ersten Förderphase auf sechs Monate, Verlängerung der zweiten Phase auf neun Monate

- zum Zeitpunkt der Gründung muss ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von 150 Tagen bestehen.

Die Änderungen werden zu einem massiven Rückgang der Förderzahlen führen, da insbesondere durch die Umwandlung der Förderung in eine Ermessenleistung eine Ablehnung von vielen Gründungsvorhaben zu erwarten ist. Gründungswilligen ist daher zu empfehlen, nach Möglichkeit noch vor Unterzeichnung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten die Gründung vorzunehmen und die für die Beantragung notwendigen Unterlagen bei der Arbeitsagentur einzureichen. Es ist davon auszugehen, dass das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt innerhalb der nächsten zwei Wochen veröffentlicht und somit zur Anwendung kommen wird.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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