2020

Kein Verlustausgleich mit einem Kirchensteuer-Erstattungsüberhang

Wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 12.03.2019 (IX R 34/17) entschied, kann ein Erstattungsüberhang aus zurückgezahlter Kirchensteuer nicht mit Verlustvorträgen ausgeglichen werden und ist daher als Einkommen zu versteuern. Im behandelten Fall wurde den Klägern für das Streitjahr 2012 bereits in den Vorjahren gezahlte Kirchensteuer erstattet. Anlass war eine für diese Jahre durchgeführte Außenprüfung, die zu einer Minderung des zu versteuernden Einkommens führte. Die Kläger gingen davon aus, dass der sich hieraus ergebende Erstattungsüberhang aus Kirchensteuer mit einem Verlustvortrag aus den Vorjahren zu verrechnen ist. Finanzamt, FG und letztlich auch der Bundesfinanzhof lehnten dies jedoch ab. Die Erstattung von in Vorjahren gezahlter Kirchensteuer wird vorrangig mit Kirchensteuerzahlungen desselben Jahres verrechnet. Entsteht dabei ein Kirchensteuer-Erstattungsüberhang, führt dies nach einer seit 2012 geltenden Neuregelung in § 10 Abs. 4b EStG zu einem Hinzurechnungsbetrag. Bislang war ungeklärt, ob der Hinzurechnungsbetrag, vergleichbar mit einer Einkunftsart, den Gesamtbetrag der Einkünfte erhöht und folglich dann durch einen Verlustvortrag ausgeglichen werden kann. Dieser ist nach einschlägiger gesetzlicher Regelung vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Der Bundesfinanzhof legte nun in seinem Urteil fest, dass der Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 4b Satz 3 EStG nicht den Gesamtbetrag der Einkünfte, sondern erst das Einkommen erhöht. Er begründete die Ablehnung einer Verlustverrechnung damit, dass der Kirchensteuer-Erstattungsüberhang wie die ursprünglich gezahlte Kirchensteuer als negative Sonderausgabe zu berücksichtigen ist. Durch die Hinzurechnung kann es daher dazu kommen, dass Einkommensteuer gezahlt werden muss, obwohl der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Verlustausgleich 0 € beträgt. Es kommt dann zu einer Besteuerung allein des Vorteils aus der Erstattung von früheren Abzugsbeträgen. Dies gilt auch dann, wenn sich die erstatteten Kirchensteuern im Zahlungsjahr nicht steuermindernd ausgewirkt haben. Der Bundesfinanzhof unterstützt mit seinem Urteil den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck der Vereinfachung der Abläufe.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Befreiung von Erbschaftsteuer für ein Familienheim

Wie der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 28.05.2019 (II R 37/16) entschied, können Kinder eine von ihren Eltern bewohnte Immobilie steuerfrei erben, sofern sie die Selbstnutzung als Wohnung innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall aufnehmen. Ein erst späterer Einzug führt nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zum steuerfreien Erwerb als Familienheim. Im Streitfall beerbten der Kläger und sein Bruder gemeinsam ihren am 05.01.2014 verstorbenen Vater. Zum Nachlass gehörte ein Zweifamilienhaus mit einer Wohnfläche von 120 qm, das der Vater bis zu seinem Tod allein bewohnt hatte. Die Brüder schlossen am 20.02.2015 einen Vermächtniserfüllungsvertrag. Danach sollte der Kläger das Alleineigentum an dem Haus erhalten. Die Eintragung in das Grundbuch erfolgte am 02.09.2015. Renovierungsangebote holte der Kläger ab April 2016 ein. Die Bauarbeiten begannen im Juni 2016. Das Finanzamt setzte Erbschaftsteuer fest, womit eine mögliche Steuerbefreiung für Familienheime nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG unberücksichtigt blieb. Diese Steuerfreiheit setzt voraus, dass der Erblasser in einem im Inland gelegenen Grundstück bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder dass er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert war. Der Erbe wiederum muss die Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken als Familienheim bestimmen, wobei die Wohnfläche 200 qm nicht übersteigen darf. Unverzüglich im Sinne des vorgenannten Gesetzes bedeutet ohne schuldhaftes Zögern und innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall. Dabei gilt in der Regel ein Zeitraum von sechs Monaten als angemessen. Danach muss der Erwerber glaubhaft darlegen, wann genau er sich zur Selbstnutzung als Familienheim entschlossen hat, welche Gründe einen früheren Einzug verhinderten und warum er diese Gründe nicht zu vertreten hat. Umstände in seinem Einflussbereich, wie die Renovierung der Wohnung, können ihn nur unter besonderen Voraussetzungen entlasten. FG und Bundesfinanzhof bestätigten im Streitfall die Versagung der Steuerfreiheit, da der Kläger das Haus auch nach der Eintragung im Grundbuch nicht unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken bestimmt hat. Erst im April 2016, mehr als zwei Jahre nach dem Todesfall und mehr als sechs Monate nach der Eintragung im Grundbuch, holte er Angebote von Handwerkern ein und begann damit überhaupt erst mit der Renovierung. Der Kläger konnte auch nicht glaubhaft darlegen, dass er diese Verzögerung nicht zu vertreten hatte. Schließlich war er noch nicht einmal bis zum Tag der mündlichen Verhandlung vor dem FG, also zwei Jahre und acht Monate nach dem Erbfall, in das geerbte Haus eingezogen.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Erste Tätigkeitsstätte eines Polizeibeamten im Einsatz- und Streifendienst nach neuem Reisekostenrecht

Der Bundesfinanzhof bestätigte mit seinem Urteil vom 04.04.2019 (VI R 27/17) die Verfassungsmäßigkeit des neuen Reisekostenrechts, das seit dem Jahr 2014 den Werbungskostenabzug für nicht ortsfest eingesetzte Arbeitnehmer und Beamte (beispielsweise Streifenpolizisten) einschränkt. Der Streitfall betraf einen Polizisten, der arbeitstäglich seine Dienststelle aufsuchte. Dort zog er seine Uniform an, nahm an Dienstantrittsbesprechungen teil und erledigte anfallende Schreibarbeiten. In seiner Einkommensteuererklärung für 2015 machte er Fahrtkosten von seiner Wohnung zur Polizeidienststelle sowie Verpflegungsmehraufwendungen entsprechend der bisherigen Dienstreisegrundsätze geltend. Da er schwerpunktmäßig außerhalb der Polizeidienststelle im Außendienst tätig war, nahm er an, dass keine erste Tätigkeitsstätte vorliege. Das Finanzamt sah das jedoch anders. Es berücksichtigte Fahrtkosten nur in Höhe der Entfernungspauschale. Grundsätzlich sind zwar beruflich veranlasste Fahrtkosten von nichtselbständig Beschäftigten in Höhe des tatsächlichen Aufwands als Werbungskosten abziehbar. Für den Weg zwischen der Wohnung und dem Arbeits- oder Dienstort bestehen allerdings Abzugsbeschränkungen, sodass nur die sogenannte Pkw-Entfernungspauschale in Höhe von 0,30 € je Entfernungskilometer geltend gemacht werden kann. Die Mehraufwendungen für Verpflegung wurden komplett abgelehnt. Nachdem das FG die Klage abwies, bestätigte auch der Bundesfinanzhof die Auffassung der Vorinstanzen. Er stellte klar, dass es nach neuer Rechtslage zur Feststellung einer ersten Tätigkeitsstätte ausreicht, wenn der Arbeitnehmer (Beamte) an diesem Ort zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat. Für die Frage der Zuordnung ist entscheidend, ob der Arbeitnehmer aus der Sicht ex ante nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen unbefristet an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers tätig werden soll. Dies war nach den Feststellungen des FG bei dem Streifenpolizisten im Hinblick auf Schreibarbeiten und Dienstantrittsbesprechungen der Fall. Entgegen der bis 2013 geltenden Rechtslage kommt es für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte auf den qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht mehr an. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung verneint der Bundesfinanzhof. Der Gesetzgeber habe sein Regelungsermessen nicht überschritten, da sich Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken können.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Abgrenzung zwischen Erst- und Zweitausbildung bei einem bereits erwerbstätigen Kind

In seinem Urteil vom 20.02.2019 (III R 42/18) befasste sich der Bundesfinanzhof erneut mit der Abgrenzung zwischen Erst- und Zweitausbildung eines bereits erwerbstätigen Kindes. Diese Abgrenzung ist immer dann notwendig, wenn ein volljähriges Kind nach Erlangung eines ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine nicht unter § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG fallende Berufstätigkeit aufnimmt. Dann erfordert § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zwischen einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit und einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) genau zu unterscheiden. Eine einheitliche Erstausbildung im Sinne vorgenannter Vorschrift ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht anzunehmen, wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und somit die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine Nebensache darstellen. Allerdings verwies er darauf, dass die Vorlage der Absichtserklärung zur Fortführung der Erstausbildung nicht zwingend spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts bei der Familienkasse vorgelegt werden muss. Ebenso sah es der Bundesfinanzhof als für den Kindergeldanspruch unschädlich an, wenn der zweite Ausbildungsabschnitt eine Erwerbstätigkeit zur Abschlussvoraussetzung macht. Im strittigen Fall befand sich die Tochter der Klägerin bis Juli 2013 in einer Ausbildung zur Verwaltungsangestellten. Von November 2013 bis Juli 2016 absolvierte sie einen berufsbegleitenden Angestelltenlehrgang zur Verwaltungsfachwirtin. Daneben stand sie in einem Vollzeitarbeitsverhältnis bei einer Stadtverwaltung. Die Familienkasse hob den Kindergeldanspruch ab August 2013 auf. Sie begründete dies damit, dass die Tochter bereits eine erste Berufsausbildung abgeschlossen habe und während der Zweitausbildung einer umfangreichen Erwerbstätigkeit nachging. Das FG hingegen wertete den Angestelltenlehrgang noch als Teil einer einheitlichen Erstausbildung und verpflichtete die Familienkasse das Kindergeld bis März 2016 weiterzuzahlen. Der Bundesfinanzhof gab der Revision der Familienkasse statt. Grundsätzlich besteht für in Ausbildung befindliche volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums nur dann ein Kindergeldanspruch, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, die regelmäßig mehr als 20 Wochenstunden umfasst. Allerdings können auch mehrere Ausbildungsabschnitte zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammen zu fassen sein, wenn sie in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Eine solche einheitliche Erstausbildung liegt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs jedoch dann nicht mehr vor, wenn die nach Erlangung des ersten Berufsabschlusses aufgenommene Erwerbstätigkeit bereits die hauptsächliche Tätigkeit des Kindes darstellt, es damit selbst für seinen Unterhalt sorgen kann und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur der Weiterbildung oder dem Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Beruf dienen. Unter Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze muss nun das FG im zweiten Rechtsgang prüfen, ob das Ausbildungsverhältnis dem Beschäftigungsverhältnis untergeordnet war oder umgekehrt das Beschäftigungsverhältnis dem Ausbildungsverhältnis.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz