2018

Erleichterte Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs

Die Angabe des Kalendermonats als Leistungszeitpunkt kann sich unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung ergeben, sofern aufgrund der konkreten Umstände davon auszugehen ist, dass die Leistung im Monat der Rechnungsausstellung bewirkt wurde. So entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 01.03.2018 (V R 18/17). Im Streitfall hatte die Klägerin den Vorsteuerabzug aus an sie ausgeführten PKW-Lieferungen in Anspruch genommen. Allerdings enthielten die ihr hierfür erteilten Rechnungen weder Angaben zur Steuernummer des Lieferanten noch zum Lieferzeitpunkt. Die Rechnungen wurden später um die Angabe der Steuernummer, nicht aber auch um die Angabe der Lieferzeitpunkte ergänzt. Das Finanzamt versagte deshalb den Vorsteuerabzug. Demgegenüber hatte die Klage beim FG Erfolg. Umsatzsteuerrechtlich verlangt zwar § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG unter anderem in einer Rechnung die Angabe des Zeitpunkts der Lieferung oder sonstigen Leistung. Nach § 31 Abs. 4 UStDV kann jedoch stattdessen der Kalendermonat angegeben werden, in dem die Leistung ausgeführt wurde. Der Bundesfinanzhof legt nun mit seinem Urteil diese Vorschrift zugunsten der zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer sehr weitgehend aus. Danach kann sich die Angabe des Kalendermonats als Leistungszeitpunkt aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung ergeben, wenn nach den Verhältnissen des Einzelfalls davon auszugehen ist, dass die Leistung in dem Monat erbracht wurde, in dem die Rechnung ausgestellt wurde. Diesen Zusammenhang sah der Bundesfinanzhof im strittigen Fall als gegeben. Es sei branchenüblich, dass über jeweils einmalige Liefervorgänge von PKWs unmittelbar Rechnung erteilt wird. Somit folge aus dem Ausstellungsdatum der Rechnung, dass die jeweilige Lieferung im Kalendermonat der Rechnungserteilung ausgeführt wurde und dieses demzufolge als Angabe im Sinne von § 31 Abs. 4 UStDV anzusehen sei. Der Bundesfinanzhof begründete seine Entscheidung damit, dass sich die Steuerverwaltung nicht auf die bloße Prüfung der Rechnung beschränken dürfe, sondern auch die vom Steuerpflichtigen beigebrachten zusätzlichen Informationen zu berücksichtigen habe. Damit rückt der Bundesfinanzhof von seiner bisherigen eher formalen, strengen Betrachtungsweise bezüglich der Angabe des Leistungszeitpunkts in der Rechnung ab.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe der Nachzahlungszinsen

Der Bundesfinanzhof zweifelt an der Verfassungsmäßigkeit von Nachzahlungszinsen für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015. Er hat daher mit Beschluss vom 25.04.2018 (IX B 21/18) nach summarischer Prüfung im zugrunde liegenden Fall die Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt. Das Finanzamt hatte die von den Antragstellern für das Jahr 2009 zu entrichtende Einkommensteuer zunächst auf 159.139 € festgesetzt. Im Anschluss an eine Außenprüfung änderte es am 13.11.2017 die Einkommensteuerfestsetzung auf 2.143.939 €. Neben der nachzuzahlenden Steuer von 1.984.800 € forderte das Finanzamt zudem für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis 16.11.2017 Nachzahlungszinsen in Höhe von 240.831 €. Das Begehren der Antragsteller auf AdV des Zinsbescheids lehnten Finanzamt und FG ab. Der Bundesfinanzhof hingegen gab dem Antrag statt und setzte die Vollziehung des Zinsbescheids in vollem Umfang aus. Er begründet dies mit schwerwiegenden Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit von § 233a AO in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO im Hinblick auf die Zinshöhe für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2015. Danach betragen die Zinsen für jeden Monat 0,5 Prozent einer nachzuzahlenden oder zu erstattenden Steuer. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs sei die Bemessung des Zinssatzes realitätsfern und verletze somit den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Da sich im Streitzeitraum ein niedriges Marktzinsniveaus strukturell und nachhaltig verfestigt habe, überschreite der gesetzlich festgelegte Zinssatz den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität erheblich, Eine sachliche Rechtfertigung für die gesetzliche Zinshöhe bestehe bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht. Sinn und Zweck der Verzinsungspflicht sei, den Nutzungsvorteil wenigstens zum Teil abzuschöpfen, den ein verspätet zahlender Steuerpflichtiger gegenüber einem pünktlich zahlenden Steuerpflichtigen habe. Er verfüge während der Dauer der Nichtentrichtung der Zinsen über eine Geldsumme, die er gegebenenfalls sogar gewinnbringend anlegen könne. Dieses Ziel sei aber wegen des strukturellen Niedrigzinsniveaus im zugrunde liegenden Fall für den Streitzeitraum nicht erreichbar und trage damit die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe nicht. Außerdem hegt der Bundesfinanzhof schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel, ob der Zinssatz dem aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Übermaßverbot entspricht. Die realitätsferne Bemessung der Zinshöhe wirke in Zeiten eines strukturellen Niedrigzinsniveaus wie ein sanktionierender, rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung. Zudem sei es gesetzgeberisch geboten, die ursprüngliche Entscheidung zu der in § 238 Abs. 1 Satz 1 AO geregelten gesetzlichen Höhe von Nachzahlungszinsen zu prüfen, ob die Zinshöhe bei dauerhafter Verfestigung des Niedrigzinsniveaus aufrechtzuerhalten sei oder herabgesetzt werden müsse. Dies habe der Gesetzgeber zwar selbst auch erkannt, aber bislang dahin gehend nichts geregelt.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Selbst getragene Krankheitskosten können nicht beim Sonderausgabenabzug berücksichtigt werden

Trägt ein Steuerpflichtiger seine Krankheitskosten selbst, um dadurch eine Beitragserstattung zu erhalten, können diese Kosten nicht von den erstatteten Beiträgen abgezogen werden. Denn es handelt sich bei den Krankheitskosten nicht um Beiträge zu einer Versicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG und somit sind sie steuerlich nicht abziehbar. Das entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 29.11.2017 (X R 3/16). Damit führt er seine Rechtsprechung zur vergleichbaren Kostentragung bei einem sogenannten Selbstbehalt fort und bestätigt zudem das Urteil des FG Brandenburg vom 19.04.2017 (siehe Artikel vom 06.01.2018). Im Streitfall hatten der Kläger und seine Ehefrau, um in den Genuss von Beitragserstattungen zu kommen, die angefallenen Krankheitskosten nicht bei ihrer Krankenversicherung geltend gemacht. In der Einkommensteuererklärung kürzte der Kläger zwar die Krankenversicherungsbeiträge um die erhaltenen Beitragserstattungen, minderte diese Erstattungen aber vorher um die selbst getragenen Krankheitskosten. Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass nur die Ausgaben als Beiträge zur Krankenversicherung abziehbar sind, die im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen und letztlich der Vorsorge dienen. Zwar wird bei den selbst getragenen Krankheitskosten nicht - wie beim Selbstbehalt - bereits im Vorhinein verbindlich auf einen Versicherungsschutz verzichtet. Der Versicherte kann sich bei Vorliegen der konkreten Krankheitskosten für die für ihn günstigste Variante entscheiden, ob er sie zugunsten einer Beitragserstattung selbst tragen will oder nicht. In jedem Fall dienen die selbst getragenen Krankheitskosten nicht der Erlangung des Versicherungsschutzes als solchem. Auch kommt im Streitfall nicht in Betracht, die selbst getragenen Krankheitskosten als einkommensmindernde außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG anzuerkennen, da die Krankheitskosten die zumutbare Eigenbelastung wegen der Höhe der Einkünfte der Kläger nicht übersteigen.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Keine Verlängerung des Kindergeldanspruchs über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus wegen Dienst im Katastrophenschutz

Verpflichtet sich ein Kind zu einem mehrjährigen Dienst im Katastrophenschutz und wird es deshalb vom Wehrdienst freigestellt, erwächst daraus keine Verlängerung des Kindergeldanspruchs über das vollendete 25. Lebensjahr hinaus. So entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 19.10.2017 (III R 8/17). Im Streitfall absolvierte der im November 1987 geborene Sohn des Klägers ein Medizinstudium, das er im Herbst 2013 kurz vor Vollendung des 26. Lebensjahres abschloss. Die Familienkasse gewährte für den Sohn das Kindergeld bis November 2012, da dieser in diesem Monat sein 25. Lebensjahr vollendete. Dagegen erhob der Kläger Einspruch, da der Sohn im Jahr 2005 wegen einer mindestens sechs Jahre umfassenden Verpflichtung im Katastrophenschutz (Freiwillige Feuerwehr) vom Wehrdienst freigestellt wurde. Einspruch und Klage waren erfolglos. Auch der Bundesfinanzhof bestätigte in seinem Urteil die Auffassung der Vorinstanzen. Zwar kann die Altersgrenze von 25 Jahren beim Kindergeldanspruch für in Ausbildung befindliche Kinder hinausgeschoben werden, aber nur bei Leistung des gesetzlichen Grundwehrdienstes oder Zivildienstes. In diesen Fällen wird die Altersgrenze um die Dauer des Dienstes hinausgeschoben. Der Dienst im Katastrophenschutz gehört nicht dazu. Der Gesetzgeber hat die Verlängerung des Kindergeldanspruchs bei Diensten wie dem gesetzlichen Grundwehrdienst und dem Zivildienst nur deshalb vorgesehen, weil sich dadurch häufig die Beendigung der Berufsausbildung verzögert. Hinzu kommt, dass es sich hierbei um Vollzeitdienste handelt. Der vom Sohn des Klägers geleistete Dienst im Katastrophenschutz kann jedoch typischerweise auch neben der Ausbildung durchgeführt werden. Die Beendigung der Berufsausbildung verzögert sich in der Regel dadurch nicht. Vergleichbar ist dies mit einem Engagement in einem Sportverein oder einer Jugendorganisation. Das Urteil des Bundesfinanzhofs hat auch Auswirkungen auf andere neben der Ausbildung geleistete Dienste im Katastrophenschutz, die eine Freistellung von der Wehrpflicht zur Folge haben. Das betrifft beispielsweise Sanitätsdienste beim Deutschen Roten Kreuz, der Johanniter-Unfall-Hilfe oder dem Malteser Hilfsdienst sowie Technische Dienste beim Technischen Hilfswerk.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Ermittlung der Anschaffungskosten bei Grundstücksentnahme

Wie der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 06.12.2017 (VI R 68/15) entschied, ist bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für die Entnahme eines Grundstücks aus dem Betriebsvermögen der Entnahmegewinn durch Abzug der Anschaffungskosten vom Entnahmewert (Teilwert) zu ermitteln. Dies gilt auch dann, wenn es vor Jahren im Wege des Tauschs gegen ein anderes betriebliches Grundstück erworben und der hierbei erzielte Veräußerungsgewinn seinerzeit nicht erklärt wurde. Der Sachverhalt ist in diesem Fall auch nicht so zu behandeln, als habe der Steuerpflichtige bei dem Grundstückstausch von seinem Wahlrecht nach § 6c in Verbindung mit § 6b EStG Gebrauch gemacht. Zudem stellte der Bundesfinanzhof klar, dass aus seinem Urteil vom 14.12.1999 (IX R 62/96) nicht allgemein abgeleitet werden kann, dass bei Nichterklärung aufgedeckter stiller Reserven aus einer Veräußerung oder Entnahme bei weiteren Geschäftsvorfällen so zu handeln sei, als habe es die Gewinnrealisierung nicht gegeben. Im strittigen Fall hatte die im Jahr 2010 verstorbene Ehefrau des Klägers bis zu ihrem Tod aus der Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt, die sie nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte. Im Jahr 1984 tauschte die Ehefrau notariell beglaubigt zwei Grundstücke gegen einen Bauplatz sowie einen Weingarten. Einen Gewinn aus dem Grundstückstausch erklärte die Ehefrau nicht. Im August 2008 übertrug sie den Bauplatz unentgeltlich ihrem Sohn. Das Finanzamt behandelte die Grundstücksübertragung als Entnahme. Vom Wert des Bauplatzes zog es den nach § 55 EStG ermittelten Buchwert zum 01.01.1970 ab. Den sich hieraus ergebenden Entnahmegewinn berücksichtigte es je zur Hälfte in den Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre 2008 und 2009. Die Höhe dieses Entnahmegewinns war im Revisionsverfahren strittig. Zwar bestätigte der Bundesfinanzhof die Wertermittlung des streitbefangenen Flurstücks, allerdings wurden die tatsächlichen Anschaffungskosten desselben nicht ermittelt, sodass der Entnahmegewinn nicht korrekt ausgewiesen wurde. Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass bei Entnahme eines Grundstücks aus dem Betriebsvermögen der Entnahmegewinn durch Abzug der Anschaffungskosten vom Entnahmewert des Grundstücks zu ermitteln ist. Das FG hat aber statt der tatsächlichen Anschaffungskosten des Flurstücks nur den Wert nach § 55 EStG von dem Entnahmewert abgezogen. Es war der Auffassung, dass die Ermittlung des gemeinen Werts der hingegebenen Grundstücke entbehrlich und der Kläger so zu stellen sei, als habe die Ehefrau den aus dem Grundstückstausch erzielten Veräußerungsgewinn gemäß § 6c in Verbindung mit § 6b EStG neutralisiert. Das hätte aber vorausgesetzt, dass die Ehefrau von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht und einen Gewinn erklärt hätte, der dann durch Abzug einer Betriebsausgabe wieder neutralisiert worden wäre. Der Bundesfinanzhof verwies die Rechtssache zurück an das FG zur Feststellung der Anschaffungskosten des steitbefangenen Flurstücks.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz