2016

Kindergeldanspruch während eines mehrjährigen Auslandsstudiums

Mit seinem Urteil vom 23.06.2014 entschied der Bundesfinanzhof, dass Eltern für ein Kind, das sich während eines mehrjährigen Studiums außerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums aufhält, weiterhin Kindergeld beziehen können, sofern das Kind einen Wohnsitz im Haushalt der Eltern beibehält. Das ist beispielsweise der Fall, wenn es diese Wohnung zumindest überwiegend in den ausbildungsfreien Zeiten nutzt. Bei mehrjährigen Auslandsaufenthalten zum Zwecke einer Berufsausbildung ist es dabei ohne Belang, ob es sich um die Anfangsphase der Berufsausbildung oder eine spätere Phase handelt. Im Streitfall ist der Kläger deutscher Staatsangehöriger mit chinesischer Herkunft. Sein 1994 geborener Sohn absolvierte nach dem Ende seiner schulischen Ausbildung zunächst einen einjährigen Sprachkurs in China, um anschließend vor Ort ab September 2013 ein  vierjähriges Bachelorstudium zu beginnen. Während des Studiums wohnte der Sohn in einem Studentenwohnheim. Die Sommersemesterferien 2013 und 2014 verbrachte er für jeweils ca. sechs Wochen in Deutschland. Während dieser Zeiten wohnte er in seinem Kinderzimmer in der elterlichen Wohnung. Die Familienkasse allerdings ging davon aus, dass der Sohn seinen Wohnsitz vom Inland nach China verlegt habe und hob die Kindergeldfestsetzung ab September 2013 auf. Das FG sowie der Bundesfinanzhof folgten der Auffassung der Familienkasse nicht. Sie stellten klar, dass als Voraussetzung des Kindergeldanspruchs das Kind u. a. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat hat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet. Der Bundesfinanzhof ging in seiner Urteilsfindung davon aus, dass der Sohn während des Streitzeitraums von September 2013 bis März 2014 trotz seines Studiums in China seinen inländischen Wohnsitz nicht aufgegeben hat. Entscheidend war, dass der Sohn den überwiegenden Teil seiner ausbildungsfreien Zeit in Deutschland verbrachte und seine Wohnverhältnisse sowie persönlichen Bindungen einen stärkeren Bezug zum Inland als zum Studienort aufwiesen. Da vorübergehende, weniger als einjährige Auslandsaufenthalte grundsätzlich nicht zum Wegfall des Inlandswohnsitzes führen, betrachtete der Bundesfinanzhof den dem Studium vorgelagerten Sprachkurs als völlig unproblematisch bezüglich der Kindergeldfortzahlung. Doch auch im Hinblick auf das Studium selbst befand der Bundesfinanzhof keine Wohnsitzverlagerung nach China, zumal der Sohn im Studentenwohnheim untergebracht war. Dort stand ihm nur ein Platz für seine Kleidung und das notwendige Studienmaterial zur Verfügung. Die chinesischen Wurzeln des Klägers oder seines Sohnes spielten bei der Urteilsfindung keine Rolle.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Versorgung und Betreuung eines Haustieres als haushaltsnahe Dienstleistung

Die Versorgung und Betreuung eines im Haushalt des Steuerpflichtigen lebenden Haustieres kann als haushaltsnahe Dienstleistung begünstigt sein. So entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 03.09.2015. Im strittigen Fall ließen die Kläger während des Urlaubs ihre Hauskatze von einer "Tier- und Wohnungsbetreuung" in ihrer Wohnung betreuen. Hierfür wurde ihnen ein Betrag in Höhe von 302,90 € in Rechnung gestellt, den sie im Streitjahr 2012 per Überweisung beglichen. In ihrer Einkommensteuererklärung beantragten sie für diese Aufwendungen eine Steuerermäßigung mit Bezug auf § 35a EStG. Danach ermäßigt sich auf Antrag die Einkommensteuer um 20 %, höchstens jedoch 4.000 €, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen. Das Finanzamt versagte den beantragten Steuervorteil, da nach seiner Ansicht gemäß Gesetzeslage für Tierbetreuungskosten keine Steuerermäßigung zu gewähren sei. Doch das FG und auch der Bundesfinanzhof widersprachen dieser Auffassung. Die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a EStG sei zu gewähren, wenn die in Anspruch genommene Leistung eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung aufweise oder damit im Zusammenhang stehe. Das betreffe insbesondere hauswirtschaftliche Tätigkeiten, die durch Mitglieder des Haushalts oder auch Angestellte in regelmäßigen Abständen erledigt werden. Aus dem Gesetzestext gehe nicht hervor, dass diese häuslichen Aufgaben nur auf Menschen zu beziehen sind. Daher sei die Versorgung und Betreuung eines Haustieres ebenfalls als eine haushaltsnahe Dienstleistung einzuordnen. Denn Tätigkeiten wie das Füttern, die Fellpflege, das Ausführen und die Beschäftigung des Tieres sowie die damit im Zusammenhang stehenden Reinigungsarbeiten fielen ständig wiederkehrend an und werden in der Regel durch den Steuerpflichtigen selbst oder andere Haushaltsangehörige erledigt.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Verfassungsmäßigkeit der Kürzung außergewöhnlicher Belastungen um den Anteil zumutbarer Belastungen

Der Bundesfinanzhof entschied mit seinen Urteilen vom 02.09.2015 (VI R 32/13, VI R 33/13), dass es von Verfassungs wegen nicht geboten ist, bei der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen auf den Ansatz einer zumutbaren Belastung zu verzichten. In den beiden Urteilsfällen hatten die Kläger Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung geltend gemacht. Es handelte sich dabei insbesondere um Aufwendungen, die von den Krankenversicherungen nicht übernommen worden waren, wie Zahnreinigung, Laboratoriumsmedizin, Zweibettzimmerzuschläge, Praxis- und Rezeptgebühren sowie Zuzahlungen für Medikamente. Diese Aufwendungen seien, so die Kläger, zwangsläufig entstanden und von Verfassungs wegen ohne Berücksichtigung einer zumutbaren Belastung abzuziehen. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass Krankenversicherungsbeiträge Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums seien. Dies müsse zumindest auch für Praxis- und Rezeptgebühren gelten. Die Finanzämter lehnten jedoch einen Abzug der Aufwendungen ab und verwiesen auf die Berücksichtigung der zumutbaren Belastung. Der Bundesfinanzhof bestätigte diese Auffassung. Krankheitskosten gehören zwar grundsätzlich zu den außergewöhnlichen Belastungen, aber auch sie sind einkommensteuerrechtlich nur zu berücksichtigen, soweit sie die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG überschreiten. Zudem differenziert die vorgenannte Vorschrift auch nicht nach Krankheitskosten und anderweitigen Aufwendungen. Verfassungsrechtlich gibt es dagegen keinerlei Einwände. In den Streitjahren 2008 und 2009 hatten alle Versicherten, also auch Versicherte, die nach der Sozialgesetzgebung Hilfe zum Lebensunterhalt oder zur Grundsicherung erhielten, Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze in Höhe von 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zu leisten.  Zuzahlungen gehören daher nicht zum einkommensteuerrechtlichen Existenzminimum. Dem Gesetzgeber ist es grundsätzlich erlaubt, Versicherte zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kostenbewusstseins in Form von Zuzahlungen zu beteiligen, soweit dies dem Einzelnen finanziell zugemutet werden kann. In den Urteilsfällen war angesichts der Einkünfte der Kläger und deren Aufwendungen in Höhe von 143 € und 170 € das einkommensteuerliche Existenzminimum nicht betroffen bzw. gefährdet. Daher konnte in beiden Fällen auch offenbleiben, ob bei Unterschreitung des Grundfreibetrags durch Zuzahlungen verfassungsrechtlich anderes gilt.

Die unterlegenen Kläger haben dem Vernehmen nach angekündigt, die Rechtmäßigkeit der zumutbaren Belastung nun vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Es bleibt also spannend.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Vertragliche Kaufpreisaufteilung bei Grundstücksgeschäften

Wurde eine vertragliche Kaufpreisaufteilung von Grundstück und Gebäude beim Immobilienerwerb vereinbart, so ist diese bei der Berechnung der AfA für das Gebäude zu Grunde zu legen. Das entschied der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 16.09.2015. Voraussetzung dafür allerdings ist, dass die Aufteilung die realen Wertverhältnisse widerspiegelt und wirtschaftlich haltbar erscheint. Sie darf nicht nur zum Schein getroffen worden sein sowie keinen Gestaltungsmissbrauch darstellen. Im entschiedenen Fall erwarb der Kläger zwei Eigentumswohnungen im Obergeschoss eines Hauses. Dabei entfielen lt. Vertrag 60,24 % auf die Wohnungseinheiten (Gebäude) und 39,76 % auf den Grund und Boden. In seiner Einkommensteuererklärung gab der Kläger Verluste aus Vermietung und Verpachtung unter Berücksichtigung einer AfA auf den Gebäudeanschaffungswert von 60,24 % der Gesamtanschaffungskosten an. Das Finanzamt akzeptierte die Angaben des Klägers nicht und ließ in einem qualifizierten Sachwertverfahren eine Kaufpreisaufteilung durch einen Bausachverständigen durchführen. Dieser stellte für die beiden Eigentumswohnungen einen Gebäudewertanteil von 47 % fest. Daraufhin erhöhte das Finanzamt die Einkommensteuer für die Streitjahre 2001 und 2002 entsprechend. In der dagegen erhobenen Klage gab das FG dem Kläger überwiegend Recht. Der Maßstab für die Wertaufteilung von Grund und Boden und Gebäude richte sich grundsätzlich nach der Kaufpreisaufteilung der Vertragsparteien. Im Streitfall sei auch nicht ersichtlich, dass es sich bei der Vereinbarung um ein Scheingeschäft oder einen Gestaltungsmissbrauch handele. Zudem ergebe sich aus den beigezogenen Akten, dass der maßgebliche Bodenrichtwert seit 1999  kontinuierlich gesunken sei. Daher sei nachvollziehbar, dass diese sinkende Tendenz Eingang in die Vertragsverhandlungen gefunden habe. Außerdem sei davon auszugehen, dass der Vertrag von wechselseitigen Interessen getragen wurde und diese auch der Kaufpreisaufteilung zu Grunde gelegen hätten. Dem widersprach das Finanzamt in seiner Revision, da gegenläufiges Interesse nur für den Gesamtpreis hätte eine Rolle spielen können. Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen schloss sich der Auffassung des Finanzamts an. Den Vertragsparteien einer Immobilientransaktion wie im vorliegenden Fall wohne dieser vom FG vermutete Interessengegensatz hinsichtlich einer vertraglichen Kaufpreisaufteilung gerade nicht inne. Es sei durchaus nicht auszuschließen, dass die von den Vertragsparteien selbst vorgenommene Aufteilung nicht den wirtschaftlichen Gegebenheiten entspreche und nur der Steuern wegen vorgenommen wurde. Für die Überprüfung der wirtschaftlichen Haltbarkeit der vertraglichen Vereinbarung seien die anerkannten Vorschriften der Verkehrswertermittlung auf der Grundlage des Baugesetzbuchs, insbesondere die Immobilienwertermittlungsverordnung, heranzuziehen. Im Streitfall weiche der vertraglich vereinbarte Aufteilungsmaßstab wesentlich von dem ab, den der Bausachverständige der Finanzverwaltung unter Anwendung des Sachwertverfahrens ermittelt habe. Das Urteil des FG wurde daher aufgehoben.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Zeitliche Grenze für die Erklärung des Verzichts auf die Umsatzsteuerbefreiung einer Grundstückslieferung

Der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens kann nur in dem zugehörigen notariell beurkundetem Kaufvertrag erklärt werden. Ein späterer Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung ist unwirksam, selbst bei notarieller Beurkundung. So entschied der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 21.10.2015. Im Streitfall erwarb der Kläger im Jahr 2003 ein Grundstück und verpachtete es umsatzsteuerpflichtig an sein Unternehmen, eine GmbH. Diese nutzte es zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze. Die beim Kauf vom Kläger gezahlte Umsatzsteuer zog er im Besteuerungszeitraum 2003 als Vorsteuer ab. Mit notariellem Vertrag vom 22.10.2009 veräußerte er das Grundstück an seine Ehefrau. Ein Verzicht auf die Steuerbefreiung dieses Grundstücksumsatzes wurde dabei nicht erklärt. Die Ehefrau verpachtete das Grundstück umsatzsteuerpflichtig weiterhin an die bisherige Mieterin. Das Finanzamt änderte daraufhin die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2009 und berichtigte den Vorsteuerabzug zu Lasten des Klägers nach § 15a UStG, weil dieser vor Ablauf des zehnjährigen Berichtigungszeitraums das Grundstück umsatzsteuerfrei veräußerte. Im Rahmen einer angestrebten Klage wies das FG darauf hin, dass der Kläger aufgrund der Organschaft umsatzsteuerrechtlich keine Vermietungsleistung gegenüber der GmbH erbracht habe und daher kein Vermietungsunternehmen habe übertragen können. Es regte aber an, dass der Kläger noch die Option des Grundstücksumsatzes an seine Ehefrau zur Steuerpflicht erklären könnte, um somit die Vorsteuerkorrektur zu vermeiden. Die Ehefrau hätte als Konsequenz dann bei entsprechender Rechnungstellung den Vorsteuerabzug, würde allerdings die Umsatzsteuer nach § 13b UStG als Leistungsempfängerin schulden. Daraufhin ließ der Kläger am 12.04.2013 eine notariell beurkundete Neufassung des ursprünglichen Kaufvertrages ausfertigen. Darin verzichtete er auf die Umsatzsteuerfreiheit des Vertragsgegenstandes. Durch diese Option schuldete die Ehefrau dem Finanzamt auf den vereinbarten Kaufpreis die gesetzliche Umsatzsteuer (Umkehr der Steuerpflicht). Das FG gab daraufhin der Klage statt und dem Kläger Recht. Dagegen ging das Finanzamt in Revision. Der Bundesfinanzhof stützte dessen Auffassung und hob das Urteil des FG auf. Dieses war fälschlicherweise der Annahme, dass der Kläger nachträglich den Kaufvertrag ändern könnte, um den Grundstücksumsatz als steuerpflichtig zu erklären. Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass dies nicht möglich ist. Die Option zur Steuerpflicht dieses Umsatzes hätte mit dem notariellen Kaufvertrag vom 22.10.2009 ausgeübt werden müssen. Der Kläger hat daher das Grundstück im Jahr 2009 steuerfrei veräußert; die nachträgliche Option im Jahr 2013 ist unwirksam. Demzufolge gilt, dass sich innerhalb des zehnjährigen Berichtigungszeitraums die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse geändert haben. Deshalb war im Streitfall die Vorsteuer zu Lasten des Klägers zu berichtigen.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz