2016

Rechtmäßigkeit der Besteuerung von Erstattungszinsen bei gleichzeitiger Nichtabziehbarkeit von Nachzahlungszinsen

In seinem Urteil vom 15.04.2015 entschied der Bundesfinanzhof, dass die Besteuerung von Erstattungszinsen bei gleichzeitiger Nichtabziehbarkeit von Nachzahlungszinsen rechtmäßig ist. Er sieht darin keinen Widerspruch. Im entschiedenen Fall war strittig, ob die dem Kläger im Streitjahr 2004 zugeflossenen Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer unterliegen. Der Kläger war bis 31.12.1999 an einem Unternehmen beteiligt. Aufgrund einer Außenprüfung wurden ihm aus dieser Beteiligung höhere Gewinne zugerechnet. Seine Einkommensteuer wurde daraufhin für die Jahre 1996 und 1997 höher und gleichzeitig Nachzahlungszinsen festgesetzt. Für die Jahre 1998 bis 2002 ergab sich eine niedrigere Einkommensteuer; dafür wurden Erstattungszinsen zugebilligt. Mit dem Einkommensteuerbescheid für 2004 erhöhte das Finanzamt die erklärten Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen um die im Streitjahr vereinnahmte Erstattungszinsen mit Bezug auf § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Die gleichzeitig festgelegten Nachzahlungszinsen blieben dabei unberücksichtigt. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein. Er beantragte, die als Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzten Erstattungszinsen um die Nachzahlungszinsen zu mindern. Einspruch und Klage wurden zurückgewiesen und auch der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung der Vorinstanzen. Er stellte klar, dass vom Gesetzgeber die Erstattungszinsen ausdrücklich als Kapitaleinkünfte normiert wurden. Diese Regelung verstoße im Vergleich zur Nichtabziehbarkeit der Nachzahlungszinsen weder gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG noch gegen das daraus folgende verfassungsrechtliche Gebot, einmal getroffene steuerliche Belastungsentscheidungen folgerichtig auszugestalten. Dem Entstehen von Nachforderungsansprüchen einerseits und Erstattungsansprüchen andererseits liegen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde. In einem Fall handelt es sich um zu geringe Vorleistungen auf die entstandene Steuerschuld, im anderen Fall um eine Überzahlung. Diese unterschiedlichen Sachverhalte sind allenfalls abstrakt vergleichbar. Beide begründen Zahlungsansprüche im Steuerrechtsverhältnis und wirken sich - mit unterschiedlichen Vorzeichen - auf die Liquidität des Steuerpflichtigen aus. In ihrer steuerrechtlich maßgeblichen Veranlassung aber sind sie nicht vergleichbar. Nachzahlungszinsen sind der Einkünfteverwendung zugewiesen, die einkommensteuerrechtlich grundsätzlich irrelevant ist. In diesem Zusammenhang hebt der Bundesfinanzhof hervor, dass die Zuweisung der Nachzahlungszinsen in den nichtsteuerbaren Bereich auch der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen dient, die eine private Steuerschuld kreditfinanziert tilgen müssen und die dafür entstehenden Schuldzinsen nicht steuerlich abziehen können. 

Hinweis: Aktuell prüft das Bundesverfassungsgericht aufgrund einer Verfassungsbeschwerde, ob diese Auslegung rechtmäßig sein kann.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Vorsteuerabzug aus Rechnungen eines nicht existierenden Unternehmers

Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 22.10.2015 entschieden, dass einem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug aus einer Rechnung nicht versagt werden darf, weil die Rechnung von einem nicht existierenden Unternehmer ausgestellt wurde oder die Identität des Lieferers  nicht feststellbar ist. Der  Vorsteuerabzug kann nur verwehrt werden, wenn der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass es sich um den Fall eines Steuerhinterziehungstatbestandes handelt. Im Streitfall ging es um ein polnisches Unternehmen, dem die zuständige Finanzverwaltung das Recht auf Abzug von Vorsteuer versagte, weil es die entsprechenden Umsätze als verdächtig ansah. Konkret ging es um den Einkauf von Dieselkraftstoff von einem Unternehmen, das nach allgemein geltenden Kriterien nicht als existierender Wirtschaftsteilnehmer angesehen wurde. Auch die dagegen erhobene Klage wurde mit dieser Begründung abgewiesen. Zudem habe der Kläger keine angemessene unternehmerische Sorgfalt angewandt, da er nicht überprüft habe, ob diese Umsätze in Zusammenhang mit der Begehung einer Straftat stehen könnten. Tatsächlich sieht das polnische Steuerrecht vor, dass  Rechnungen nicht zum Abzug der Vorsteuer berechtigen, wenn diese Rechnungen von einem nicht existenten oder zur Rechnungserteilung nicht berechtigten Wirtschaftsteilnehmer erteilt wurden. Der Oberste Verwaltungsgerichtshof Polens legte nun den Fall dem EuGH vor - mit Bezug auf die Anwendung einheitlicher steuerlicher Bemessungsgrundlagen. Aus den vorgelegten Akten ergab sich, dass die Rechnungen alle erforderlichen Angaben gemäß der gesetzlichen  Vorschriften, wie beispielsweise die Art der gelieferten Gegenstände, den Betrag der geschuldeten Mehrwertsteuer, den Namen der Firma, ihre Steueridentifikationsnummer und die Anschrift ihres Gesellschaftssitzes auswiesen. Nach Auffassung des EuGH konnte daher vom vorlegenden Gericht  nicht der Schluss gezogen werden, dass der Lieferant nicht die Eigenschaft eines Steuerpflichtigen aufweist. Demzufolge kann dem Empfänger nicht das Recht auf Vorsteuerabzug versagt werden. Ob die für diese Verkaufsumsätze geschuldete Mehrwertsteuer vom Lieferer an den Fiskus entrichtet wurde, ist für das Recht des Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung. Im entschiedenen Fall wurden jedoch nach Auffassung des vorlegenden Gerichts die betreffenden Umsätze nicht von der rechnungslegenden Firma, sondern von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer bewirkt. Dieser könne nicht identifiziert werden, sodass die Steuerbehörden die Steuer im Zusammenhang mit diesen Umsätzen nicht hätten vereinnahmen können. Es ist Aufgabe des vorlegenden Gerichts, nun herauszufinden, ob der Leistungsempfänger das gewusst hat oder hätte wissen müssen. Nur, wenn dem so ist, kann der Vorsteuerabzug verwehrt werden.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Steuerermäßigung für Aufwendungen für ein Notrufsystem in einer Seniorenresidenz

Mit seinem Urteil vom 03.09.2015 entschied der Bundesfinanzhof, dass Aufwendungen für ein Notrufsystem, das innerhalb des "Betreuten Wohnens" Hilfeleistungen rund um die Uhr sicherstellt, als haushaltsnahe Dienstleistungen steuerlich geltend gemacht werden können. Im Streitfall bewohnte der Kläger im Rahmen des "Betreuten Wohnens" in einer Seniorenresidenz eine Drei-Raum-Wohnung. Neben dem Mietvertrag schloss er zusätzlich mit dem Betreiber der Residenz einen Seniorenbetreuungsvertrag ab, wofür er eine monatliche Betreuungspauschale entrichtete. Die Pauschale diente zu 80 % der Besetzung des Notrufsystems über 24 Stunden täglich, einschließlich des für die Nachtwache und die Soforthilfe im Notfall erforderlichen Fachpersonals, und zu 20 % beratenden und kulturellen Leistungen. Im Streitjahr 2011 bezahlte der Kläger dafür  insgesamt 1.785 EUR. In seiner Steuererklärung für das Streitjahr machte er 1.357 EUR (76 % der Betreuungspauschale) als Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen geltend. Zusätzlich begehrte er die Steuerermäßigung für anteilige Kosten für Hausmeister und Hausreinigung in Höhe von 474 EUR. Das Finanzamt gewährte dem Kläger nur eine Steuerermäßigung für den Hausmeister und die Reinigung. Der Bundesfinanzhof widersprach mit seinem Urteil dieser Auffassung und entschied, dass es sich bei dem Notrufsystem um eine haushaltsnahe Dienstleistung im Sinne des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG handelt. Durch die Rufbereitschaft werde sichergestellt, dass ein Bewohner, der sich im räumlichen Bereich seines Haushalts aufhalte, im Notfall Hilfe erhalten könne. Eine solche Rufbereitschaft leisteten typischerweise in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenlebende Familien- oder sonstige Haushaltsangehörige. Es handele sich damit um haushaltsnahe Dienstleistungen im Sinne der Vorschrift. Auch sei es insoweit ohne Bedeutung, dass sich die Notrufzentrale außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen befindet. Da der Leistungserfolg in seiner Wohnung eintritt, werde demzufolge auch die Leistung selbst im räumlichen Bereich des Haushalts erbracht.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Kein Abzug als häusliches Arbeitszimmer bei gemischt genutzten Räumen

Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der Raum büromäßig eingerichtet ist und ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt wird. Anderenfalls sind die Aufwendungen dafür insgesamt nicht abziehbar. Eine Aufteilung und anteilige Berücksichtigung im Umfang der betrieblichen oder beruflichen Verwendung scheidet somit aus. Das entschied der Große Senat des Bundesfinanzhofs mit seinem Beschluss vom 27.07.2015. Grundsätzlich sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur unter der Voraussetzung abziehbar, dass für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Höhe der abziehbaren Aufwendungen ist dabei auf 1.250 € begrenzt. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG ist ein weiter gehender Abzug nur möglich, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Betätigung bildet. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war strittig, ob Kosten für einen Wohnraum, der zu 60 % zur Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und zu 40 % privat genutzt wird, anteilig als Werbungskosten abziehbar sind. Während das Finanzamt dies ablehnte, gab das FG einer Klage statt. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs hat sich nun intensiv mit dem Streitfall befasst. In seiner Entscheidung knüpft er ausdrücklich an den Begriff des häuslichen Arbeitszimmers an. Demnach setzt der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers seit jeher voraus, dass der Raum wie ein Büro eingerichtet ist und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einnahmen genutzt wird. Mit dieser Auslegung können der berufliche und der privaten Bereich sachgerecht voneinander abgegrenzt, Gestaltungsmöglichkeiten unterbunden sowie der Verwaltungsvollzug erleichtert werden. Im Fall einer Aufteilung 60 % zu 40 %, wie im Streitfall gefordert, sind diese Ziele nicht zu erreichen. Der Umfang der jeweiligen Nutzung in gemischt genutzten Räumen lässt sich nicht objektiv überprüfen. Auch ein vom Steuerpflichtigen geführtes Nutzungszeitenbuch ist keine akzeptable Grundlage für eine Aufteilung. Die darin enthaltenen Angaben haben über eine bloße Behauptung des Steuerpflichtigen hinausgehend keinerlei Beweiswert. Ebenso sei eine schätzungsweise Aufteilung der jeweiligen Nutzungszeiten aufgrund mangelnder Maßstäbe hierfür nicht möglich. In dem Zusammenhang stellte der Bundesfinanzhof klar, dass Aufwendungen für eine sogenannte Arbeitsecke ebenfalls nicht abzugsfähig sind. Derartige Räume dienen schon ihrer Art und ihrer Einrichtung nach erkennbar auch privaten Wohnzwecken, sodass eine sachgerechte Abgrenzung einer Nutzungsaufteilung keinesfalls gewährleistet ist.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Ermäßigter Steuersatz bei Hochzeits- und Trauerreden

In seinem Urteil vom 03.12.2015 entschied der Bundesfinanzhof, dass Hochzeits- und Trauerredner den ermäßigten Steuersatz von 7 % als ausübende Künstler in Anspruch nehmen können. Als solcher kann ein Darbietender eingeordnet werden, wenn seine Leistungen eine schöpferische Gestaltungshöhe erreichen. Diese Tätigkeiten sind dann als mit Theatervorführungen und Konzerten vergleichbare Darbietungen ausübender Künstler gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG erfasst. Die Steuerermäßigung hängt nicht davon ab, ob von den Zuschauern oder Zuhörern ein Eintrittsgeld verlangt wird.  Auch setzt diese Vorschrift kein Kulturangebot an die Öffentlichkeit voraus. Im Streitfall machte der Kläger für die von ihm gehaltenen Hochzeits-, Geburtstags-, Trennungs- und Trauerreden den ermäßigten Steuersatz geltend. Dies lehnten Finanzamt und FG ab und gingen von der Anwendung des Regelsteuersatzes aus. Der Bundesfinanzhof hingegen hält die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes unter bestimmten Voraussetzungen für möglich. Maßgebend ist der Begriff des ausübenden Künstlers. Das Wesen einer künstlerischen Tätigkeit liegt demnach in der freien schöpferischen Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. Die künstlerische Leistung eines Hochzeits- oder Trauerredners wird nach Auffassung des Bundesfinanzhofs geprägt von einer eigenschöpferischen Leistung des Künstlers, in der seine besondere Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt. Gegen eine künstlerische Tätigkeit würde allerdings sprechen, wenn sich die Rede im Wesentlichen auf eine schablonenartige Wiederholung anhand eines Redegerüstes beschränkt. Auch kommt es für die Steuerbegünstigung der Darbietungen ausübender Künstler nicht auf die Art der Vergütung an. Sie muss entgegen dem Urteil des FG nicht in einer von einem Zuhörer oder Zuschauer gezahlten Eintrittsberechtigung bestehen. Die Vergütung kann ebenso durch den Veranstalter des Ereignisses, wie etwa dem Hochzeitspaar bei einer Hochzeit, erfolgen. Das FG hatte im Streitfall keine entscheidungserheblichen Feststellungen getroffen. Daher hob der Bundesfinanzhof dessen Urteil auf und verwies die Sache zur Klärung der Sachverhalte an das FG zurück.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz