2016

Anforderungen an zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen

Der Bundesfinanzhof hat mit zwei Beschlüssen vom 06.04.2016 (V R 25/15, XI R 20/14) den Gerichtshof der Europäischen Union um Klärung gebeten, welche Anforderungen an eine Rechnung erfüllt sein müssen, damit der Leistungsempfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Konkret ging es in den Streitfällen um die Frage, ob die von einem Unternehmer geltend gemachten Vorsteuerbeträge auch dann abziehbar sind, wenn es sich unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift des Lieferers lediglich um eine sogenannte Briefkastenadresse handelt. Im ersten Fall erwarb der Kläger, ein KFZ-Händler, von einem Online-Händler mehrere PKWs. In den Rechnungen des Online-Händlers war eine Anschrift angegeben, unter der er beim Finanzamt geführt wurde und an der er Räumlichkeiten angemietet hatte. Allerdings waren die Räume nicht dazu geeignet, dort geschäftliche Aktivitäten zu entfalten. Die Fahrzeugübergabe fand an unterschiedlichen öffentlichen Plätzen statt. Auch im zweiten Fall ging es um einen KFZ-Händler. Bei der in den Rechnungen seines Lieferanten angegebenen Anschrift befand sich dessen statuarischer Sitz, jedoch handelte es sich hierbei um einen Briefkastensitz. Der Lieferant war zwar dort postalisch erreichbar, geschäftliche Aktivitäten fanden an dieser Adresse aber offensichtlich nicht statt. Es war also klärungsbedürftig, ob eine Rechnung bereits zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn der leistende Unternehmer in dieser eine Anschrift angibt, unter der er nur postalisch zu erreichen ist. Oder ob der Vorsteuerabzug die Angabe einer Anschrift des Steuerpflichtigen voraussetzt, unter der er seine wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet. Der Gerichtshof der Europäischen Union lässt in seinem Urteil vom 22.10.2015 den möglichen Schluss zu, dass es für den Vorsteuerabzug bei der Lieferantenadresse keiner Anschrift bedarf, unter der wirtschaftliche Tätigkeiten entfaltet wurden. Da der Bundesfinanzhof in seiner bisherigen Rechtsprechung u. a. die Angabe der Anschrift des leistenden Unternehmers in der Rechnung voraussetzt, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten tätigt, hielt er es für erforderlich, den Einklang mit der europäischen Rechtsprechung zu prüfen bzw. herbeizuführen.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Ablehnung des Gründungszuschusses wegen finanzieller Leistungsfähigkeit des Antragstellers ist regelwidrig

Das Landessozialgericht Hessen entschied in seinem Urteil vom 18.03.2016, dass Arbeitsagenturen einen Antrag auf Gründungszuschuss nicht wegen der finanziellen Leistungsfähigkeit des Antragstellers ablehnen dürfen. Beim Gründungszuschuss handelt es sich überwiegend auch um eine Versicherungsleistung nach dem SGB III, denn der Anspruch auf Gründungszuschuss setzt einen Restanspruch auf ALG I von mindestens 150 Tagen voraus. Dieser ist ebenfalls nicht einkommens- oder vermögensabhängig. Allenfalls im Hinblick  auf die zweite Förderphase dürfte ein Berücksichtigen der sozialen Lage oder die allgemeine Vermögenslage des Gründers bei der Ermessensausübung möglich sein. Im strittigen Fall hatte ein arbeitsloser IT-Consultant bei der Agentur für Arbeit einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Unternehmensberater beantragt. Dieser wurde mit der Begründung abgelehnt, dass anhand der dargestellten Einnahmen- und Vermögenssituation der Gründer sein Vorhaben selbst finanzieren könne. Die dagegen erhobene Klage war erfolgreich. Da wie beim ALG I auch beim Gründungszuschuss keine Bedürftigkeitsprüfung vorgesehen ist, war die Entscheidung der Agentur für Arbeit ermessensfehlerhaft.  Als Entscheidungskriterien können lediglich die Tragfähigkeit des Geschäftskonzepts und die persönliche Eignung des Antragstellers herangezogen werden. In dem Zusammenhang ist allerdings darauf zu verweisen, dass andere Landessozialgerichte eine Berücksichtigung der Eigenleistungsfähigkeit auch in der ersten Förderphase für möglich halten. Und zwar dann, wenn aus der selbständigen Tätigkeit von Anbeginn an derartige Gewinne erwirtschaftet werden, die eine Überbrückung der Gründungsphase mittels Gründungszuschuss nicht notwendig machen.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Änderung von Antrags- und Wahlrechten

Mit seinem Urteil vom 09.12.2015 stellte der Bundesfinanzhof klar, unter welchen Voraussetzungen eine Änderung des Antrags- und Wahlrechts vorgenommen werden kann. Demnach kann die Ausübung von Antrags- oder Wahlrechten, die dem Grunde nach keiner zeitlichen Begrenzung unterliegen, geändert werden, solange der entsprechende Steuerbescheid nicht formell und materiell bestandskräftig ist. Im Falle einer partiellen Bestandskraft kommt die Änderung nur in Betracht, wenn ihre steuerlichen Folgen nicht über den durch § 351 Abs. 1 AO gesetzten Rahmen hinausgehen. Beruht die Änderung eines Wahlrechts lediglich auf  einer Änderung der wirtschaftlichen Geschäftsgrundlage, ist eine Änderung des Steuerbescheids nicht gerechtfertigt. Zudem sind die Grundsätze zum Veranlagungswahlrecht der Ehegatten nicht auf das Wahlrecht nach § 34 Abs. 3 EStG übertragbar. Im entschiedenen Fall hatten die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehegatte im Streitjahr 2002 laufende Verluste aus einer Beteiligung des Ehegatten an einer KG und einen Veräußerungsgewinn. Für diesen beantragten sie den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG. Das Finanzamt veranlagte antragsgemäß und setzte mit Bescheid vom 16.03.2005 die Einkommensteuer auf 90.029 EUR fest. Aufgrund höherer Verluste in 2002, also geänderter Besteuerungsgrundlagen, setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 16.02.2009 die Einkommensteuer auf 81.323 EUR herunter. Der Veräußerungsgewinn blieb unverändert. Allerdings beantragten die Kläger am 13.03.2009, den ermäßigten Steuersatz doch nicht auf die außerordentlichen Einkünfte in 2002 anzuwenden. Die von den Klägern angestrebte Anwendung des ermäßigten Steuersatzes in einem Folgejahr hätte per Saldo zu einem höheren Steuervorteil geführt. Das lehnte das Finanzamt ab. Der Bundesfinanzhof bestätigte mit seinem Urteil die Auffassung des Finanzamts. Das Wahlrecht ist zwar grundsätzlich jederzeit änderbar, jedoch nur, solange der entsprechende Steuerbescheid formell und materiell nicht bestandskräftig ist. Eine Änderung des Einkommensteuerbescheids im Zusammenhang mit der Änderung des Wahlrechts ist nur möglich, wenn dieser aus anderen Gründen verfahrensrechtlich änderbar ist. Solche Gründe liegen im Streitfall nicht vor. Die geänderte Ausübung eines Antrags- oder Wahlrechts für sich genommen stellt keine verfahrensrechtliche Grundlage für eine Änderung von Bescheiden dar. Das Antrags- oder Wahlrecht hängt also von der Bestandskraft des Bescheides ab, nicht umgekehrt. Die Ausübung des Wahlrechts vermag nicht die Bestandskraft zu durchbrechen. Durch das Urteil des Bundesfinanzhofs wird klar, dass bei der Ausübung des Wahlrechts auch Risiken bestehen, da es nur einmal im Leben des Steuerpflichtigen ausgeübt werden kann. Dieser muss soweit möglich auch zukünftige Veranlagungszeiträume im Blick haben, um sich optimal zu entscheiden.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

Vermietung und Verpachtung von Gebäuden zur Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern

Die Oberfinanzdirektion Frankfurt/Main hat in einer Verfügung vom 21.03.2016 ausführlich zur steuerlichen Behandlung bei Vermietung und Verpachtung von Gebäuden zur Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern Stellung genommen. Grundsätzlich wird nach langfristigen Verträgen mit einer Laufzeit länger als sechs Monaten sowie kurzfristigen Verträgen unterschieden. Dabei ist immer auf die Laufzeit der Verträge abzustellen und nicht auf die Dauer des tatsächlichen Aufenthalts der untergebrachten Personen. Wird bei langfristigen Verträgen ausschließlich Wohnraum überlassen, sind die Umsätze aus dieser Leistung steuerfrei. Das gilt ebenso für weitere Dienstleistungen, wie die Bereitstellung von Bettwäsche und Mobiliar, die Reinigung des Gebäudes, die Bereitstellung von Waschmaschinen und Wäschetrocknern, die Zurverfügungstellung von Hauspersonal oder auch die Erhebung eines pauschalen Abnutzungszuschlages. Erbringt der Eigentümer des Gebäudes weitere Leistungen, wie die soziale Betreuung und Verpflegung der untergebrachten Personen oder die Beauftragung eines Sicherheitsdienstes, sind diese stets mit dem Regelsteuersatz zu versteuern. Da die Vermietung oder Verpachtung regelmäßig an die öffentliche Hand erfolgt, besteht in diesen Fällen keine Möglichkeit der Option nach § 9 Abs. 1 UStG, weil die Verwendung dem nichtunternehmerischen Bereich zuzuordnen ist. Bei kurzfristigen Verträgen handelt es sich bei der Wohnraumüberlassung um eine nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ermäßigt zu besteuernde Beherbergungsleistung. Dasselbe gilt für andere Leistungen, die unmittelbar der Beherbergung dienen (beispielsweise Bereitstellung von Mobiliar und anderen Einrichtungsgegenständen, Stromanschluss, Reinigung der gemieteten Räume, Überlassung von Bettwäsche und Handtüchern). Darüber hinaus erbrachte Dienstleistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen (beispielsweise Verpflegungsleistungen, Nutzung von Kommunikationsnetzen, Reinigung von Kleidung) unterliegen dem Regelsteuersatz. Werden anstelle von Miet- oder Pachtverträgen Rahmenverträge abgeschlossen, regeln diese lediglich die Modalitäten einer möglichen Belegung der Unterkunft durch Flüchtlinge oder Asylbewerber. Dem Mieter muss vom Vermieter auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt werden, das Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre. Das jeweilige Einzelmietverhältnis wird erst begründet, wenn die unterzubringende Person durch Einweisung tatsächlich untergebracht wird. Danach richtet sich dann die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung.

Hinweis: ermäßigter Steuersatz bedeutet 7%; Regelsteuersatz bedeutet 19%

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Feier eines Dienstjubiläums

In seinem Urteil vom 20.01.2016 entschied der Bundesfinanzhof, dass ein Dienstjubiläum ein berufsbezogenes Ereignis ist. Demzufolge sind die Aufwendungen für eine betriebsinterne Feier anlässlich eines Dienstjubiläums nahezu ausschließlich beruflich veranlasst. Damit darf ein Arbeitnehmer die Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigen. Voraussetzung ist, dass er die Gäste nach abstrakten berufsbezogenen Kriterien einlädt. Im entschiedenen Fall war strittig, ob Aufwendungen für eine Feier anlässlich eines 40-jährigen Dienstjubiläums als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar sind. Der Kläger, ein Finanzbeamter, hatte an einem Montag rund 50 Personen für 11 Uhr bis 13 Uhr in den Sozialraum des Finanzamts eingeladen. Es handelte sich nur um im Finanzamt tätige Personen. Die entstandenen Kosten in Höhe von 833,73 € machte er als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Sowohl Finanzamt als auch FG lehnten dies ab. Der Bundesfinanzhof allerdings widersprach mit seinem Urteil der Auffassung der Vorinstanzen. Er stellte klar, dass ein Dienstjubiläum ein berufsbezogenes Ereignis ist. Denn der Beschäftigte wird im Rahmen eines Dienstjubiläums für seine langjährige, treue Pflichterfüllung gegenüber dem Dienstherrn geehrt. Die Würdigung der vom Beamten für den Dienstherrn geleisteten Dienste steht mithin im Vordergrund. Das Dienstjubiläum ist damit Teil der Berufstätigkeit des Beamten.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz