2011

Doppelter Mietaufwand als beruflich veranlasste Umzugskosten

Die wegen eines Familienumzugs doppelt geleisteten Mietzahlungen können beruflich veranlasst und deshalb in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar sein. Dabei stehen die Vorschriften über den Abzug notwendiger Mehraufwendungen wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung dem nicht entgegen. So entschied der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 13.07.2011. Zu beachten ist, das die Mietaufwendungen für die neue Familienwohnung nur bis zum Umzugstag und für die bisherige Wohnung ab dem Umzugstag, längstens aber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des bisherigen Mietverhältnisses, als Werbungskosten abgezogen werden können. Der Abzug von Mietaufwendungen als Umzugskosten richtet sich allein nach dem allgemeinen Werbungskostenbegriff und nicht nach den Regelungen des Bundesumzugskostengesetzes. Im entschiedenen Fall hatte der Kläger bis zum Nachzug seiner Familie eine 165 m² große Wohnung am Beschäftigungsort angemietet, von wo er seiner Arbeit nachging.  Für die Zeit (zwei Monate) bis zum Umzug seiner Familie machte er in seiner Einkommensteuererklärung den gesamten Mietaufwand als Werbungskosten geltend. Das zuständige Finanzamt erkannte den Mietaufwand unter Hinweis auf eine doppelte Haushaltsführung jedoch nur anteilig für 60 m² an. Der Einspruch blieb erfolglos und die Klage wurde mit gleicher Begründung vom FG abgewiesen. Der Bundesfinanzhof hob die Vorentscheidung auf und verwies auf den Aspekt der unbeschränkten Abzugsfähigkeit der Mietkosten für die Familienwohnung am Beschäftigungsort als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Werbungskosten sind danach Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Hierzu zählen auch beruflich veranlasste Umzugskosten, zu denen ebenso umzugsbedingt geleistete doppelte Mietzahlungen gehören können.  Allerdings muss der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlasst sein. Davon ist beispielsweise auszugehen, wenn der Arbeitnehmer wegen eines Arbeitsplatzwechsels seine bisherige Dienstwohnung räumen und deshalb mit seiner Familie umziehen muss oder weil sich durch einen Umzug die Zeitspanne für die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verringert. Die Aufwendungen für Familienheimfahrten oder ggf. Verpflegungsmehraufwendungen werden durch den Umzug nicht berührt und können daneben als notwendige Mehraufwendungen wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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Vorweggenommene Werbungskosten durch Berufsausbildungskosten bei später im Ausland ausgeübter Tätigkeit

Mit seinem Urteil vom 28.07.2011 entschied der Bundesfinanzhof, dass Aufwendungen einer erstmaligen Berufsausbildung auch dann vorab als entstandene Werbungskosten anzuerkennen sein können, wenn die Möglichkeit besteht,  dass diese Berufstätigkeit später im Ausland ausgeübt werden könnte und dabei steuerfreie Einkünfte erzielt werden. Allein diese Möglichkeit begründet noch keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang im Sinne des § 3c Abs. 1 1. Halbsatz EStG zwischen den Berufsausbildungskosten und später tatsächlich erzielten steuerfreien Auslandseinkünften. Dabei lässt § 12 Nr. 5 EStG ebenso wie § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG den Vorrang des Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzugs unberührt. Entschieden wurde hier zugunsten eines Verkehrsflugzeugpiloten. Dieser hatte nach seinem Abitur und anschließendem Zivildienst unmittelbar eine selbst finanzierte Ausbildung als Copilot begonnen, die er im Jahre 2005 abschloss. Ab 2006 war er bei einer Airline in der Türkei beschäftigt, wohin er auch vorübergehend zog. Ende 2007 erhielt er eine Anstellung bei einer deutschen Airline. Seitdem wohnt er wieder in Deutschland. Für das Streitjahr 2004 beantragte er, einen verbleibenden Verlustabzug in Höhe von 71.813 EUR festzustellen, den er im Wesentlichen mit den ihm entstandenen Ausbildungskosten von ca. 59.000 EUR begründete. Unter Hinweis auf § 12 Nr. 5 EStG lehnte das Finanzamt dies ab. Das FG bestätigte dieses Vorgehen, da offen sei, ob schon § 3c Abs. 1 EStG dem Abzug entgegenstehe, weil der Kläger Einnahmen aus der Tätigkeit, zu deren Ausübung er sich mit den streitbefangenen Kosten qualifiziert habe, ab 2006 zunächst in der Türkei erzielt und insoweit im Inland auch nicht versteuert habe. Dem widerspricht nunmehr der Bundesfinanzhof mit seinem aktuellen Urteil. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen erzielt. Wenn die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen, sind diese auch als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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Kosten für berufliche Erstausbildung und Erststudium können in voller Höhe abziehbar sein

Keine Differenzbesteuerung bei Veräußerung eines betrieblich genutzten PKW durch einen Kioskbetreiber

Mit seinem Urteil vom 29.06.2011 entschied der Bundesfinanzhof, dass die Veräußerung eines PKW, den ein Kioskbetreiber als Gebrauchtwagen ohne Vorsteuerabzugsberechtigung erworben und in seinem Unternehmen betrieblich genutzt hat, bei richtlinienkonformer Auslegung nicht der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegt, sondern nach den allgemeinen Vorschriften des UStG zu versteuern ist. Der Kläger betrieb neben einem Kiosk noch eine Lotto- und Totoannahmestelle sowie eine Reiseagentur. Im September 2001 hatte er einen Gebrauchtwagen wegen Anwendung der Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG ohne Umsatzsteuer für 33.900 DM erworben. Im Juli 2003 gab er diesen von ihm betrieblich genutzten PKW im Rahmen des Erwerbs eines anderen PKW für 11.000 EUR in Zahlung. Auf dieses Veräußerungsgeschäft wandte der Kläger die Differenzbesteuerung gemäß § 25a UStG an. Da der Verkaufspreis unter dem Einkaufspreis lag, erklärte er demzufolge keine Umsatzsteuer. Im Rahmen einer beim Kläger im Jahr 2005 durchgeführten Außenprüfung vertrat die Prüferin allerdings die Auffassung, dass eine Differenzbesteuerung auf den Weiterverkauf des PKW nicht anwendbar sei, da der Kläger nicht Wiederverkäufer im Sinne des § 25a UStG sei. Danach würde er nur dann als Wiederverkäufer gelten, wenn er üblicherweise mit Gebrauchtwagen handeln würde, was für den Kläger nicht zutrifft. Im geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2003 wurde entsprechend Umsatzsteuer für den Verkauf des Pkw berücksichtigt. Während das FG den Kläger als Wiederverkäufer würdigte und ihm Recht gab, erkannte der Bundesfinanzhof die Revision des Finanzamtes an und hob das Urteil des FG auf. Dass der Kläger in ziemlich regelmäßigen Abständen (alle ein bis zwei Jahre) einen neuen oder gebrauchten PKW kaufte, den er seinem Unternehmen zuordnete und den er im Zusammenhang mit einer Ersatzbeschaffung jeweils in Zahlung gab, reicht nicht aus, um dies als seine normale geschäftliche Tätigkeit anzusehen. In seiner Begründung stellt der Bundesfinanzhof klar heraus, dass als Wiederverkäufer im Sinne des § 25a UStG nur gilt, wer gewerbsmäßig körperlich bewegliche Gegenstände zum Wiederverkauf einkauft oder diese ggf. nach einer Instandsetzung wieder veräußert. Mit dieser Auslegung eines einzelstaatlichen Steuergesetzes wird zugleich Unionsrecht umgesetzt.

Anmerkung: Die Umsatzbesteuerung bei der Veräußerung des Fahrzeuges wäre zu vermeiden gewesen, wenn das Fahrzeug nicht dem Unternehmensvermögen zugeordnet worden wäre.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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Differenzbesteuerung auch bei gelegentlicher Veräußerung von Anlagevermögen

Inanspruchnahme wegen unberechtigten Steuerausweises

Mit Urteil vom 07.04.2011 entschied der Bundesfinanzhof, dass zwar für eine Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aussteller bezeichneten Person nach § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG diese auch an der Erstellung der Urkunde mitgewirkt haben muss, dabei aber die Grundsätze der Stellvertretung unbedingt zu berücksichtigen sind. Zu diesen Grundsätzen gehören auch die Anscheins- und Duldungsvollmacht, und zwar auch dann, wenn jemand in seinem eigenen Namen ein Gewerbe im Interesse eines Dritten, der es tatsächlich betreibt, anmeldet. Im strittigen Fall hatte die Klägerin, obwohl sie bereits seit 1979 Rentnerin war, für ihren Sohn und dessen Geschäftspartner zum 01.01.1994 eine gewerbliche Tätigkeit „BC/Verlag“ angemeldet. Sie selbst war mit der Umsetzung der Geschäftsidee - Erstellung eines Telefaxverzeichnisses - nicht betraut und auch nicht integriert. Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung wurde festgestellt, dass der Verlag ab Mai 1994 an diverse Unternehmen im gesamten Bundesgebiet unaufgefordert circa 464.000 als Rechnungen bezeichnete Formulare verschickt hatte, die für einen Eintrag in ein Telefaxverzeichnis gelten sollten, obwohl jedoch nach den Feststellungen des FG die Erstellung eines Telefaxverzeichnisses niemals beabsichtigt war. In den sogenannten Rechnungen in Höhe von jeweils 998 DM wurden auch 130,17 DM Umsatzsteuer ausgewiesen, nach Auffassung des Finanzamtes zu Unrecht. Da circa 10% der angeschriebenen Unternehmen bezahlten, setzte das Finanzamt mit Bescheid vom November 2005 eine Umsatzsteuer von 2.356.374,53 EUR fest. Dagegen klagte die Geschäftsinhaberin mit dem Hinweis, sie sei nur als „Strohmann“ eingesetzt gewesen und habe keinerlei Einfluss auf die geschäftlichen Aktivitäten gehabt. Dem widersprach nun, nach Finanzamt und Finanzgericht, auch der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil und stützt sich dabei insbesondere auf die Grundsätze zur Anscheins- oder Duldungsvollmacht. Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene das Handeln seines angeblichen Vertreters nicht kennt, aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können. Andererseits darf der Vertretende nach Treu und Glauben annehmen, der Vertretene dulde und billige sein Handeln. Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und dieser dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin verstehen darf, dass er dazu bevollmächtigt ist. Für die Klägerin trifft auf jeden Fall die Anscheinsvollmacht zu - ungeachtet dessen, ob ihr die betrügerische Absicht des Unternehmens bei der Gewerbeanmeldung klar war. Sie ist demzufolge zur Umsatzsteuerzahlung in Anspruch zu nehmen.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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Keine Ansparabschreibung für Software

In seinem Urteil vom 18.05.2011 stellt der Bundesfinanzhof klar, dass Software jeglicher Art ein immaterielles Wirtschaftsgut darstellt. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn es sich um System- oder Standardsoftware handelt, die auf einem Datenträger gespeichert ist. Nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsguts im Sinne des Abs. 1 eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (Ansparabschreibung). § 7g Abs. 1 EStG a.F. betrifft die Vornahme von Sonderabschreibungen für neue bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, wobei bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter nach allgemeiner Auffassung nur materielle Wirtschaftsgüter sein können. Materielle Wirtschaftsgüter sind körperliche Gegenstände. Immaterielle Wirtschaftsgüter unterscheiden sich davon durch ihre Unkörperlichkeit; es handelt sich also zumeist um geistige Werte, z.B. Ideen und Rechte. Der Kläger hatte für den beabsichtigten Ankauf von Systemsoftware für das Streitjahr 2002 eine anteilige Ansparabschreibung von 69.794 € geltend machen wollen, die das Finanzamt nach einer Außenprüfung ablehnte. Das FG erkannte die Klage an und wertete die auf Datenträgern gespeicherte Software als materielles bewegliches Wirtschaftsgut. Dem widersprach  nun der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil, weil preisprägend nicht der Datenträger, sondern die darauf gespeicherte Software ist. Demzufolge kommt eine Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung nicht in Betracht. Wie der Fall zu beurteilen wäre, wenn der Kläger zusammen mit der Systemsoftware, die Gegenstand der Ansparabschreibung war, die für deren Nutzung und Anwendung erforderliche Hardware hätte erwerben wollen, wurde im vorliegenden Verfahren nicht behandelt und beantwortet.

Anmerkung: Mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.08.2007 wurde § 7g EStG neu gefasst. Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 17.08.2007 enden, wurden Ansparabschreibungen durch Investitionsabzugsbeträge ersetzt. Das oben dargestellte Urteil erscheint jedoch auf die neue Rechtslage ebenso anwendbar.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

 

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