Kindergeld für ein behindertes Kind, das Opfer einer Gewalttat wurde

von Björn Keller

Wie der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 20. April 2023 (III R 7/21) entschied, ist die Grundrente eines behinderten Kindes, das Opfer einer Gewalttat wurde, nicht zu seinen Bezügen hinzuzurechnen. Diese Rente steht daher der Gewährung von Kindergeld nicht entgegen. Im strittigen Fall handelt es sich beim Kläger um den Vater einer volljährigen Tochter, bei der aufgrund einer Gewalttat eine Behinderung vorliegt. Nach dem Opferentschädigungsgesetz erhält sie eine Beschädigtengrundrente. Der Kläger bezog für die Tochter wegen der vorliegenden Behinderung auch nach deren Volljährigkeit Kindergeld. Die Tochter ist zwischenzeitlich verheiratet und hat mit ihrem Ehemann zwei Kinder. Bei der  Ermittlung ihrer gesamten zur Verfügung stehenden Einkünfte und Bezüge für den im Revisionsverfahren strittigen Zeitraum November und Dezember 2019 rechnete die Familienkasse neben dem von ihrem Ehemann zustehenden Unterhaltsanspruch und weiteren Sozialleistungen auch die Beschädigtengrundrente hinzu. Sie kam zu dem Ergebnis, dass sich die Tochter ab Oktober 2019 hätte selbst unterhalten können. Die Kindergeldfestsetzung zugunsten des Klägers hob sie deshalb auf. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Der Bundesfinanzhof hielt die angestrebte Revision der Familienkasse für unbegründet. Volljährige Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, werden kindergeldrechtlich unter anderem dann berücksichtigt, wenn sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG). Ob das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, bestimmt sich anhand eines Vergleichs zwischen dem Grundbedarf und dem behinderungsbedingten Mehrbedarf auf der einen Seite und den Einkünften und Bezügen des Kindes auf der anderen Seite. Das Opferentschädigungsgesetz sieht für die Opfer von Gewalttaten verschiedene Versorgungsleistungen vor. Es kommen insbesondere Heilbehandlungen der Schädigung, einkommensunabhängige Rentenleistungen aufgrund der bleibenden Schädigungsfolgen sowie einkommensabhängige Leistungen mit Lohnersatzfunktion in Betracht. Im Streitfall erhielt das Kind eine Beschädigtengrundrente. Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass eine solche Grundrente vor allem der Abdeckung des immateriellen Schadens dient, den das Opfer durch die Gewalttat erlitten hat. Sie soll nicht den Lebensunterhalt des Opfers und seiner Familie sicherstellen. Auch wenn die Beschädigtengrundrente zusätzlich materielle Schäden des Opfers abdecken sollte, wären die einzelnen Leistungsanteile nicht trennbar. Im dem Falle müsste dann auch ein entsprechend höherer behinderungsbedingter Mehrbedarf des Kindes berücksichtigte werden, der mit der Rente lediglich ausgeglichen wird.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

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