Gewinnerzielungsabsicht bei den Einkünften aus der Veräußerung von Anteilen aus Kapitalgesellschaften und Gestaltungsmissbrauch bei gezielter Herbeiführung von Veräußerungsverlusten

von Björn Keller

Wie der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 03. Mai 2023 (IX R 12/22) entschied, muss sich die auch bei den Einkünften aus § 17 EStG erforderliche Gewinnerzielungsabsicht auf die gesamte Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Kapitalgesellschaft beziehen. Eine auf den einzelnen veräußerten Geschäftsanteil bezogene Betrachtung ist nicht zulässig. Die gezielte Herbeiführung eines Verlusts durch die Veräußerung eines GmbH-Geschäftsanteils, dessen Anschaffungskosten aufgrund eines Aufgelds seinen Verkehrswert übersteigen, ist nicht unbedingt rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 42 AO. Im entschiedenen Fall handelte es sich bei den Klägern um ein Ehepaar. Die Ehefrau hatte im November 2015 als Alleingesellschafterin eine GmbH gegründet, deren Geschäftsgegenstand der Erwerb und die Verwaltung von Immobilien war. Das Stammkapital betrug zunächst 25.000 €. Es war eingeteilt in 25.000 Geschäftsanteile im Nennbetrag von jeweils 1 € (Nr. 1 bis 25 000). Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung der GmbH Mitte Dezember 2015 wurde eine Kapitalerhöhung um 1.000 € vorgenommen. Dafür schuf die GmbH einen weiteren Geschäftsanteil im Nennbetrag von 1.000 € (Nr. 25 001). Diesen Geschäftsanteil übernahm ebenfalls die Klägerin. Zudem zahlte sie beschlussgemäß hierfür neben dem Nennbetrag ein Aufgeld von 500.000 € in die freie Kapitalrücklage der GmbH ein. Am 28. Dezember 2015 veräußerte die Klägerin 300 Geschäftsanteile, Nr. 24 701 bis 25 000 im Nennwert von je 1 € sowie den neuen Geschäftsanteil Nr. 25 001 zum Kaufpreis von 26.000 € an den Ehemann. Dieser wurde dadurch zu 5 % am Kapital der GmbH beteiligt. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin aus der Veräußerung der GmbH-Geschäftsanteile einen gemäß § 17 EStG zu berücksichtigenden Verlust in Höhe von 475.000 €, der nach den Grundsätzen des Teileinkünfteverfahrens mit 285.000 € anzusetzen war. Das Finanzamt erkannte jedoch den Verlust, der aus der Veräußerung des neu geschaffenen Geschäftsanteils Nr. 25 001 herrührte, nicht an. Der Klägerin habe es aufgrund der hohen Anschaffungskosten (1.000 € Nennwert zuzüglich 500.000 € Aufgeld) an einer Gewinnerzielungsabsicht gefehlt. Es ermittelte aus den veräußerten Anteilen einen Gewinn. Sowohl das zuständige FG als auch der Bundesfinanzhof widersprachen dieser Auffassung. Es wurde klargestellt, dass bei der Bewertung des Falles sich die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht auf die gesamte Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Kapitalgesellschaft beziehen muss. Eine auf den einzelnen veräußerten Geschäftsanteil bezogene Betrachtung ist nicht gestattet. Demzufolge lag im Streitfall kein Gestaltungsmissbrauch der rechtlichen Möglichkeiten vor. Ebenso konnten keine konkreten Anhaltspunkte für eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht erkannt werden, die auch langfristig keine positiven Einkünfte hätte erwarten lassen. Zudem darf ein Steuerpflichtiger Veräußerungsgeschäfte so gestalten, dass er sich steuerlich möglichst günstig stellt. So war die Klägerin weder verpflichtet, die GmbH von vornherein mit einem höheren Stammkapital auszustatten, noch eine Zuzahlung in die Kapitalrücklage zu leisten, die sich auf sämtliche Geschäftsanteile verteilt hätte. Auch ist unwichtig, ob die Veräußerung an einen fremden Dritten oder an einen nahen Angehörigen erfolgt.

Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz

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