Anforderungen an die Aufzeichnungen bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Verwendung einer offenen Ladenkasse
von Björn Keller
Die Aufbewahrung von Tagessummen-Belegen mit Einzelaufzeichnung der Erlöse und Summenbildung kann den formellen Anforderungen an die Aufzeichnungen bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Verwendung einer offenen Ladenkasse genügen. Dabei dürfen aber keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen im Betrieb angefallen sein. Zudem ist die Rechtsprechung, wonach Einzelaufzeichnungen der Erlöse in bestimmten Fällen aus Zumutbarkeitsgründen nicht geführt werden müssen, nicht auf Einzelhändler beschränkt, sondern kann auch auf Klein-Dienstleister angewendet werden. So entschied der Bundesfinanzhof mit seinem Urteil vom 12.07.2017. Im strittigen Fall erzielte der Kläger in den Streitjahren 2008 bis 2010 gewerbliche Einkünfte aus seinem Gaststättenbetrieb, durch das Ausrichten von Familienfeiern und Buffets sowie durch Beteiligung am örtlichen Volksfest. Den Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Nahezu sämtliche Betriebseinnahmen fielen in Form von Bargeld an, das der Kläger in einer offenen Ladenkasse vereinnahmte. Die Einnahmen notierte er --getrennt je Kassiervorgang-- auf einem Zettel. Durch Summenbildung ermittelte er die Tageseinnahmen und schloss die Summe mit seinem Namenszeichen und Datumsangabe ab. Die Einnahmen aus der Bewirtung beim Volksfest notierte der Antragsteller lediglich als Tagessumme. Die Einnahmen aus Veranstaltungen notierte er in einer Summe pro Veranstaltung auf den Tageseinnahmen-Zetteln hinzu. Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte das Finanzamt zu der Einschätzung, die Kassenführung sei nicht ordnungsgemäß und somit die vollständige Erfassung der Bareinnahmen nicht überprüfbar. Es nahm eine Hinzuschätzung zu den Umsätzen vor, deren Höhe durch die sogenannte Quantilsschätzung ermittelt wurde. Dazu führte es einen Zeitreihenvergleich durch. Es schätzte die monatlichen Rohgewinnaufschlagssätze (RAS), indem die im jeweiligen Monat geleisteten Zahlungen für Wareneinkäufe ins Verhältnis zu den aufgezeichneten monatlichen Erlösen gesetzt wurden. Im weiteren Vorgehen nutzte es bei der Beurteilung der Datensätze die Gesetzmäßigkeiten der Gauß'schen Normalverteilung. Das führte dazu, dass der achthöchste der 36 RAS-Monatswerte als der zutreffende Schätzwert ermittelt wurde, der auf den gesamten Drei-Jahres-Zeitraum angewendet wurde (zuzüglich Konjunkturbereinigung durch Preiserhöhungen für 2009 und 2010). Der Kläger erhob gegen die Schätzungsmethode und –höhe erfolglos Einspruch. Der Bundesfinanzhof stellte nun mit seiner Entscheidung klar, dass die Anforderungen an die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs bei summarischer Betrachtung auch dann gelten, wenn die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Schätzungshöhe herangezogen werden. Allerdings bezweifelt der Bundesfinanzhof ernstlich, dass die Aufzeichnungen des Klägers den für eine allein auf formelle Fehler gestützte Schätzungsbefugnis erforderlichen Grad an Mangelhaftigkeit aufweisen. Auch schließt eine während des Prüfungszeitraums vorgenommene Preiserhöhung im Regelfall aus, einen durchgehenden Zeitreihenvergleich für die Zeit vor und nach der Preiserhöhung vorzunehmen. Außerdem ist nicht bewiesen, ob die monatlichen RAS, die von der Software der Finanzverwaltung geschätzt wurden, der Gauß'schen Normalverteilung folgen und, ob die in einem üblichen Prüfungszeitraum (drei Jahre mit 36 Monats-Einzelwerten) erhobene Grundgesamtheit groß genug für die Anwendung der bei einer Gauß'schen Normalverteilung geltenden Gesetzmäßigkeiten ist.
Dipl.-Kfm. Björn Keller, Steuerberater, Chemnitz